Mit der formalen Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens am 27. Juli 1953 und dessen mehr oder weniger reibungslosen direkten Umsetzung im Felde schweigen zwar die Waffen, aber neue und teilweise überraschende Probleme und Herausforderungen tauchen auf. Schon nach wenigen Tagen einigt man sich in der Waffenstillstandskommission, dass das für die Umsetzung eingesetzte Personal (max. 1’000 Personen pro Seite) nicht wie vorgesehen durch ziviles und leicht bewaffnetes Polizeipersonal, sondern durch Militärpolizei zu ersetzen sei. In der Praxis hiess das, dass Personal regulärer Infanterieverbände mit der bis heute gängigen schwarzen (bewaffnet) Armbinde und der Bezeichnung MP darauf eingesetzt wurden und dies bis zum heutigen Tag tun. Die Formationen der Nordseite trugen ursprünglich entsprechende rote Armbinden, machen dies heute aber seit geraumer Zeit nicht mehr.
Für die Einhaltung und Umsetzung des Abkommens hat die Military Armistice Commission MAC zu sorgen. Diese wird durch je fünf Offiziere, mindestens drei davon im Generalsrang, der beiden Seiten gebildet. Beide Seiten bilden zudem Waffenstillstandskommission, im Süden die United Nations Military Armistice Commission UNCMAC, welche bis heute operationell sowie multinational zusammengesetzt ist und seit 1992 von einem koreanischen **General geführt wird.
Die Verhandlungen verlaufen ab Beginn sehr zäh, Anträge auf Untersuchung von Verletzungen werden kaum behandelt und schon gar nicht umgesetzt. In der Gesamtdauer der Aktivitäten der MAC, bis sich der Norden 1991 einseitig zurückzieht, sind nur ganz wenige konkrete Entscheide gefällt und auch mehr oder weniger umgesetzt worden. Wesentliche Veränderungen bezüglich der Rahmenbedingungen ergaben sich in der Regel aufgrund von schweren Zwischenfällen wie der Axe Murder Incident im August 1976 in der Joint Security Area JSA oder in Gegenmassnahmen in Reaktion auf offensichtliche Verletzungen der anderen Seite (z.B Errichtung von befestigten Posten innerhalb der DMZ ab Mitte der 70er Jahre). Die MAC war nicht in der Lage, diese Verletzungen zu ahnden oder gar wieder rückgängig zu machen.
Das erklärt, dass die DMZ in den fast 70 Jahren des Bestehens des Abkommens zur «höchst militarisierten Demilitarisierten Zone» dieses Planeten geworden ist. Mit den zwischenzeitlich aufgebauten und massiv verbesserten Potenzialen auf beiden Seiten in der Wirkdistanz zur DMZ (einzig die im Abkommen festgeschriebene Obergrenze von 35’000 stationierter Personen ausländischer Kontingente ist ausser in kurzfristigen Übungsaktivitäten nie überschritten resp. verletzt worden) hat sich das Risiko von Fehleinschätzungen an der Konfrontationslinie mit grossem Eskalationspotenzial erheblich vergrössert. Das Gefahr eines grösseren Zwischenfalls kann derzeit durchaus mit der besorgniserregenden Phase des Jahres 2017 verglichen werden.
Vor diesem Hintergrund sah sich die Neutral Nations Supervisory Commission NNSC vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Schon die Entstehungsgeschichte war von Schwierigkeiten geprägt. Die Idee einer neutralen Überwachungskommission wurde im Herbst 1951 überraschend vom Norden in die Waffenstillstandsverhandlungen eingebracht und in Washington mit einiger Skepsis akzeptiert, was sich spätestens mit dem Nominierungsvorschlag der Sowjetunion seitens des Nordens höchstens bestätigte. Im Dezember 1951 beantwortete der Bundesrat eine Anfrage des U.S. State Departments grundsätzlich positiv. Der Chef des Politischen Departements, Bundesrat Max Petitpierre, sah darin die Chance, den Begriff «Neutralität» sogar in den USA in ein eher positives Licht zu rücken, nachdem er bis zu diesem Zeitpunkt gerade auch die Wirtschaftsverhandlungen immer wieder behindert hatte.
Während den zähen Waffenstillstandsverhandlungen, welche auch bis zum Tod von Josef Stalin im März 1953 immer wieder unterbrochen wurden, fanden in Washington und in der Schweiz zahlreiche Treffen und Verhandlungen zu Umfang, Zusammensetzung, Dienstgrade sowie Kompetenzen der zu schaffenden Delegationen statt. Dabei stand aus Schweizer Sicht immer wieder die Sorge um die «Neutralitätskompatibilität» des Engagements im Vordergrund. Der eher überraschende «Durchbruch» in Panmunjom setzte auch den Bundesrat und insbesondere das mit der Umsetzung beauftragte EMD unter Zeitdruck. Erst am 13. Juli 1953 erfolgte die formelle Beauftragung des Bundesrats an das EMD.
Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass mehr oder weniger zeitgerecht ein Kontingent von 146 Angehörigen der Armee, davon 96 für die NNSC und 50 für die Repatriierungskommission (NNRC) rekrutiert und nach Korea in den Einsatz geschickt werden konnten. Das Gros wird Ende Juli 1953 vom damaligen Chef des EMD, Bundesrat Karl Kobelt, persönlich verabschiedet. Die Ausrüstung ist rudimentär und für die klimatischen Verhältnisse in Korea nicht adäquat; die Reise ab Ramstein mit amerikanischen Transportflugzeugen abenteuerlich und lang (ca. 25’000 km, 65 Flugstunden mit 8 Zwischenstopps).
Der Start und die ersten Jahre sind damit von enttäuschten politischen Erwartungshaltungen, viel operationellem Lehrgeld aber auch Frustration insbesondere der Delegationsleitungen Schwedens und der Schweiz geprägt.
Urs Gerber
Am 1. August 1953, 4 Tage nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes, erfolgt die erste Sitzung der NNSC in Panmunjom. Ab Beginn der Mission zeigt sich, dass das Konstrukt zwar theoretisch durchaus Sinn macht, in den geopolitischen und ideologischen Rahmenbedingungen des Kalten Krieges auch in Korea und trotz des Labels «Neutral» aber sofort mit teilweise unüberbrückbaren Schwierigkeiten konfrontiert wird. Die Delegationen Polens und der Tschechoslowakei werden von der Nordseite als Verbündete betrachtet und verstanden sich weitgehend auch als solche. Die Schweden und Schweizer versuchen so gut als möglich, das Mandat umzusetzen, sehen sich aber schon recht bald mit der Unzufriedenheit der Amerikaner bezüglich der Mandatserfüllung wie auch der Ablehnung der Kommission durch die südkoreanische Führung wegen der berechtigten Spionagevorwürfe an die polnischen und tschechoslowakischen Mitglieder der gemischten Inspektionsteams konfrontiert.
Bis zur einseitigen Einstellung der NNSC-Inspektionen in den je fünf «Points of Entry» für Personal, Waffen und Material im Juni 1956 durch das United Nations Command UNC gelingt es der NNSC kein einziges Mal, eine gemeinsame Position zuhanden der Waffenstillstandskommission zu erzielen. Damit erfüllt die Kommission die geforderte Erwartung insbesondere des UNC aber auch des Waffenstillstandsabkommens im wichtigsten Mandatsteil überhaupt nicht. Der Start und die ersten Jahre sind damit von enttäuschten politischen Erwartungshaltungen, viel operationellem Lehrgeld aber auch Frustration insbesondere der Delegationsleitungen Schwedens und der Schweiz geprägt.
Schon ab 1954 werden diskrete diplomatische Forderungen nach Missionsabbruch signalisiert, welche dann im selben Jahr in einem offiziellen Brief der beiden Delegationsleiter anfangs Mai 1954 mit dem Antrag auf Abbruch kulminieren. Die Fortführung der Mission der NNSC und damit auch der Tragfähigkeit des gesamten Vertragswerk steht damit auf des Messers Schneide! Dies wird zusätzlich noch akzentuiert, nachdem die von Vertrag geforderte nachfolgende politische Verhandlungslösung in Genf im Juli 1954 scheitert: Die Indochina-Frage drängt die Lösung der Korea-Frage in den Hintergrund!
Die abschliessende Folge zum sehr schwierigen Start der NNSC in Korea folgt demnächst!
In unserer fünfteiligen Serie «Korea Krieg» schreibt unser Experte und Historiker Urs Gerber zum Thema Korea Krieg. Er ist Präsident des Verwaltungsrates des Center for Asia Pacific Strategy (CAPS), Washington. Das Zentrum für Asien-Pazifik-Strategie wird von einem talentierten Team von Direktoren mit unterschiedlichem Hintergrund geleitet, die alle über umfassende Kenntnisse aus erster Hand und direkte Kontakte zur Asien-Pazifik-Region verfügen. Urs Gerber ist zudem Präsident des Stiftungsrats der Stiftung Historisches Material der Schweizer Armee und Co-Leiter des jährlichen Seminars für höhere Offiziere (ASOS) über Führung und Krisenmanagement am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP). Von Februar 2012 bis August 2017 war Urs Gerber Mitglied und Leiter der Schweizer Delegation bei der Aufsichtskommission der Neutralen Nationen in Panmunjeom, Republik Korea, von wo er Ende August 2017 zurücktrat.
Ich habe die DMZ 2017 besucht und hatte auch eine guided tour, aber vieles wusste ich doch noch nicht. Von Artikeln zu den Jaeyoung, über Esskurrier bis zu historischen Beiträgen – wirklich toll, dass Schauplatz Korea so viele Schreibende von unterschiedlichsten “walks of life” mit den unterschiedlichsten Expertisen hat. Ich freue mich immer wenn neue Artikel herauskommen und teile die auch gerne mit Freunden und Familie. Danke Schauplatz Korea-Team!
Eine wunderbare Geschichte…