Der mechanisierte Angriff Nordkoreas erfolgte am frühen 25. Juni 1950 auf zwei Hauptstossrichtungen aus den Räumen Kaesong sowie über Cheorwon in Richtung Seoul. Eine maritime Offensive mit dem Ziel, den strategisch wichtigen Hafen Busan einzunehmen oder doch zumindest zu verminen, scheiterte. Bei Gelingen hätte Kim Il-Sung vermutlich seinen Plan, Südkorea innerhalb von drei Monaten vollständig einzunehmen, erfolgreich umsetzen können. Da nun aber der Hafen von Busan nicht ausgeschaltet werden konnte, erfolgte die amerikanische und weitere militärische Unterstützung rascher und massiver. Dennoch ging Kim Il-sungs Plan beinahe auf.
Präsident Harry S.Truman handelte nach dem massiven Angriff Nordkoreas rasch und entschlossen. Bereits am Tage der Invasion erreichte er in New York eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats (dank der 14 Stunden Zeitverschiebung) zur Verurteilung der Aggression. Zwei weitere Resolutionen folgten innert zwei Wochen, womit die völkerrechtliche Abstützung des internationalen Eingreifens unter amerikanischer Führung robust abgestützt war und es noch bis heute ist. Mit Resolution 84 vom 7. Juli 1950 wurden die UNO-Mitgliedstaaten aufgefordert, militärische Kontingente zu entsenden und unter ein amerikanisches Oberkommando zu stellen, welches die Berechtigung erhielt, für die Operationen die UNO-Flagge zu verwenden. Damit war das bis heute existierende United Nations Command (UNC) gebildet, welchem sich auch die südkoreanischen Streitkräfte unterstellten. Diese raschen Entscheide der noch jungen UNO bezüglich des ersten bewaffneten Konflikts des Kalten Krieges waren nur möglich, weil sich die Sowjetunion aus Protest gegen die Einsitznahme Nationalchinas unter Tschiang Kai-schek als Vetomacht des Sicherheitsrats den Abstimmungen des Rats fernblieb.

Das Umsetzen dieser Beschlüsse brauchte angesichts der weiten Distanzen und der kaum vorhandenen Einsatzbereitschaft seine Zeit. Deshalb war es nicht überraschend, dass der nordkoreanische Vorstoss sehr rasch vorankam. Seoul fiel bereits nach drei Tagen, was zuvor die südkoreanische Armee veranlasste, die Hangang-Brücke über den Han-Fluss vorsorglich zu sprengen. Dabei kamen Hunderte von flüchtenden Zivilpersonen ums Leben, was offenbar bis heute zur ambivalenten Wahrnehmung gegenüber der politischen und militärischen Führung des Landes beiträgt. Trotz heftigem Widerstand der zahlenmässig ebenbürtigen, bezüglich schwerer Bewaffnung aber krass unterlegenen südkoreanischen Armee und trotz des Eingreifens erster amerikanischer Einheiten inklusive der U.S. Air Force, stiessen die nordkoreanischen Kräfte bis Mitte August 1950 bis an den Nakdong Fluss im südöstlichen Zipfel der Halbinsel vor. Damit hatte Kim Il-sung sein Ziel fast erreicht, es fehlte nur noch die Einnahme dieses «Pusan-Perimeters», den das UNC mit allen verfügbaren Kräften halten, aber bis auf Weiteres nicht sprengen konnte.
Am 15. September 1950 wurde Operation CHROMITE mit 261 Schiffen und rund 40’000 Mann auf den Hafen von Incheon ausgelöst.
Urs Gerber
General Douglas McArthur erkannte die dringende Notwendigkeit, so rasch als möglich aus dieser operativ-strategisch prekären Lage hinauszukommen. Er sah diesbezüglich eine massive, allerdings riskante Invasion in die Flanke des Gegners vor. Dabei wählte er entgegen den Ratschlägen von Vorgesetzten und Untergebenen die gefährlichste, bei Gelingen aber erfolgversprechendste Option. Am 15. September 1950 wurde Operation CHROMITE mit 261 Schiffen und rund 40’000 Mann auf den Hafen von Incheon ausgelöst. Die starke Strömung und die Küstenanlagen verlangten eine praktisch auf die Minute getaktete Gezeitenplanung. Die Operation wurde zum durchschlagenden Erfolg und hatte einen kompletten Wechsel des Kriegsgeschehens zur Folge. Der gleichzeitige Ausbruch aus dem «Pusan-Perimeter» gelang, die nordkoreanischen Nachschublinien wurden entscheidend unterbrochen und Seoul am 29. September zurückerobert. Diese auch symbolisch wichtige Tat wiederholte sich in den darauffolgenden sechs Monaten noch zweimal, d.h. Seoul wurde innerhalb von 9 Monaten viermal erobert resp. zurückerobert. Darauf folgten von beiden Seiten immer wieder weitreichende Repressalien an Zivilpersonen, die meist ohne Verfahren und vielfach ohne Beweise in Massenexekutionen hingerichtet wurden.


Besonders ist dabei die Evakuation nach Busan von über 14’000 Flüchtlingen mit der SS Meredith Victory, welche zuvor komplett mit bereits verladenem Militärgerät entladen wurde, als weltweit grösste Evakuation eines einzelnen Schiffs in die Annalen eingegangen.
Urs Gerber
Mit CHROMITE erlangte UNC auf der ganzen Linie das Momentum zurück, zumal die nordkoreanischen Kräfte praktisch komplett vom Nachschub und vielfach auch vom Rückzug abgeschnitten wurden, was in einer grossen Menge an Kriegsgefangenen resultierte. Bereits am 1. Oktober 1950 überschritten die ersten südkoreanischen Formationen den 38. Breitengrad. Für den südkoreanischen Präsidenten Syngman Rhee, der darin die langersehnte Chance sah, Korea wieder zu vereinigen, sowie General McArthur war klar, dass die Offensive in den Norden der Halbinsel legitim und militärisch notwendig war. Am 18. Oktober wurde Pjöngjang erobert und kurz darauf erreichten die ersten südkoreanischen und amerikanischen Kräfte den Yalu, den Grenzfluss zu China. Damit war für China die rote Linie überschritten, eine Linie, die bis heute für China ein Tabu darstellt: Mit allen Mitteln ist zu verhindern, dass sich amerikanische Soldaten am Yalu aufhalten resp. dort stationiert werden. Für Mao Tse Tung war damit definitiv der Zeitpunkt gekommen, das Unterstützung Versprechen an Kim Il-Sung einzulösen und die Offensive der bereit gestellten «Freiwilligenarmee» am 25. Oktober 1950 auszulösen. Der Effekt auf die Verbände des UNC war verheerend, zumal der harte Wintereinbruch das Seinige dazu beitrug. Die Rückzugsgefechte mussten unter grossen Verlusten an Personal und Material unter grimmigsten Bedingungen geführt werden. Dazu kam noch ein riesiger Flüchtlingsstrom gegen Süden, der unter anderem über den Hafen von Hungnam per Schiffsevakuation erfolgte. Besonders ist dabei die Evakuation nach Busan von über 14’000 Flüchtlingen mit der SS Meredith Victory, welche zuvor komplett mit bereits verladenem Militärgerät entladen wurde, als weltweit grösste Evakuation eines einzelnen Schiffs in die Annalen eingegangen. Davon haben unter anderem auch die Eltern des aktuellen südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-In profitiert.

Bereits am 4. Januar 1951 befand sich Seoul wieder in nordkoreanisch-chinesischer Hand. Die primär von den leicht bewaffneten, sehr kriegserfahrenen und kälteresistenten chinesischen Verbänden geführten Offensive kam erst auf einer Linie südlich von Suwon trotz vollständiger Lufthoheit der U.S. Air Force zum Stehen. Im März 1951 gelang es UNC dann auch wegen des besseren Wetters, die Initiative an sich zu reissen und wieder gegen Norden vorzustossen. Seoul wurde dabei zum vierten Mal eingenommen und mit der Operation RIPPER bis in den Raum des Imjin Flusses eigentlich die Befreiung Südkoreas vorerst erreicht. Die im März 1951 erreichte Frontlinie entspricht mit wenigen Ausnahmen der heutigen Demarkationslinie zwischen die beiden Koreas. Gegen Ende April 1951 erfolgte eine letzte chinesische Grossoffensive mit dem Ziel der Eroberung Seouls, die dank des verlustreichen Widerstands insbesondere der verstärkten Commonwealth Brigade zurückgeworfen werden konnte.


Sgt. Frank C. Kerr/U.S. Marine Corps
Damit erlahmte die Initiative auf beiden Seiten erheblich mit der Konsequenz, dass erste Überlegungen für einen Waffenstillstand angestellt wurden. Im Sommer 1951 begann dann dieser Prozess zuerst in Kaesong und dann im Weiler Panmunjom und sollte über zwei Jahre andauern.
Davon und mehr zur weiteren Phase des Krieges (Juni 1951 bis Juli 1953) folgt demnächst!
In unserer fünfteiligen Serie «Korea Krieg» schreibt unser Experte und Historiker Urs Gerber zum Thema Korea Krieg. Er ist im Vorstand des Center for Asia Pacific Strategy (CAPS), Washington. Das Zentrum für Asien-Pazifik-Strategie wird von einem talentierten Team von Direktoren mit unterschiedlichem Hintergrund geleitet, die alle über umfassende Kenntnisse aus erster Hand und direkte Kontakte zur Asien-Pazifik-Region verfügen. Urs Gerber ist zudem Präsident des Stiftungsrats der Stiftung Historisches Material der Schweizer Armee und Co-Leiter des jährlichen Seminars für höhere Offiziere (ASOS) über Führung und Krisenmanagement am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP). Von Februar 2012 bis August 2017 war Urs Gerber Mitglied und Leiter der Schweizer Delegation bei der Aufsichtskommission der Neutralen Nationen in Panmunjeom, Republik Korea, von wo er Ende August 2017 zurücktrat.
