Nach dem Zurückschlagen der chinesischen Offensive mit dem Ziel Seoul gegen Ende April 1951 erlahmten die offensiven Kräfte nach einem fulminanten ersten Kriegsjahr auf beiden Seiten. Zudem erreichten die Zustimmungswerte in den USA zum ohnehin schon unpopulären Krieg Korea immer tiefere Werte. So war es nicht erstaunlich, dass die eigentlichen «Führungsmächte» auf beiden Seiten, die USA und die Sowjetunion, über diplomatische Kanäle die Möglichkeiten für Waffenstillstandsverhandlungen ausloteten. Am 30. Juni 1951 gab Josef Stalin in Beantwortung einer Anfrage des Kommandanten des United Nations Command, General Matthew Ridgway, in einem Schreiben an Mao Dzedong persönlich das grüne Licht:
CIPHERED TELEGRAM No. 3917
BEIJING – TO KRASOVSKY
for Comrade MAO ZEDONG
Your telegrams about an armistice have been received.
In our opinion it is necessary immediately to answer Ridgway over the radio with agreement to meet with his representatives for negotiations about an armistice. This communication must be signed by the Command of the Korean People’s Army and the command of the Chinese volunteer units, consequently by Comrade KIM IL SUNG and Comrade PENG DEHUAI. If there is no signature of the commander of the Chinese volunteer units, then the Americans will not attach any significance to only one Korean signature. It is necessary decisively to refuse the Danish hospital ship in the area of Wonsan as a place of meeting. It is necessary to demand that the meeting take place at the 38th parallel in the region of Gaeseong [Kaesong]. Keep in mind that at the present time you are the bosses of the affair of an armistice and the Americans will be forced to make concessions on the question of a place for the meeting.
Send to Ridgway today an answer roughly like this:
“To the commander of UN troops General RIDGWAY. Your statement of 28 June regarding an armistice has been received. We are authorized to declare to you that we agree to a meeting with your representatives for negotiations about a cessation of military actions and the establishment of an armistice. We propose as a meeting place the 38th parallel in the area of the city of Gaesong. If you agree, our representatives will be prepared to meet with your representatives July 10-15.”
Commander in Chief of the Korean People’s Army
KIM IL SUNG
Commander in Chief of the Chinese Volunteer Units
PENG DEHUAI
Damit startete in der alten Königsstadt Kaesong ein Prozess der angesichts der Kriegsmüdigkeit der Parteien eigentlich zügig zu einem Resultat hätte führen müssen. Der vom amerikanischen Verhandlungsführer genannte «merry-go-round talkathon» brauchte gegen 200 Sitzungen mit 400 Stunden Verhandlungen in Panmunjom während zwei Jahren und 17 Tagen. In dieser langen Zeitspanne wurden die Kämpfe in einem zum Ersten Weltkrieg vergleichbaren Stellungskrieg mit verlustreichen minimalen Geländegewinnen entlang der Konfrontationslinie weitergeführt. Diese entsprach ab Mitte 1951 mit wenigen Ausnahmen der heutigen Demarkationslinie. Dennoch fielen Schlachten um strategisch bedeutsame Höhen besonders verlustreich aus. Der Süden bemühte sich trotz vollkommener Luftüberlegenheit insbesondere vergeblich um die Eroberung des Diamantengebirges (Kumgang-San) im Osten der Halbinsel. Diese Luftüberlegenheit der U.S. Air Force wurde allerdings mehrmals durch Einsätze sowjetischer Piloten in chinesischen oder nordkoreanischen Uniformen und entsprechender Flugzeugmarkierung erheblich gestört. Dabei kam es verschiedentlich zu direkten Luftkämpfen zwischen «sowjetischen» MiG-15 und amerikanischen Kampfflugzeugen, welche aus geostrategischen Überlegungen auf beiden Seiten für lange Zeit geheim gehalten wurden (Eskalationsgefahr des Kalten Krieges).
Die Verhandlungen in Panmunjom blieben lange unterbrochen, weil man sich nicht auf die Demarkationslinie einigen konnte. Zudem beharrte der Norden auf der vollständigen Repatriierung aller Kriegsgefangenen, während die Südseite auf der Freiwilligkeit insistierte, zumal rund 20’000 der gegen 90’000 im Süden internierten Kriegsgefangenen nicht nach Nordkorea resp China zurückkehren wollten. Erst das Frühjahr 1953 brachte neues Momentum in die unterbrochenen und festgefahrenen Waffenstillstandsverhandlungen. Zum einen zog Dwight D. Eisenhower mit dem Wahlversprechen ins Weisse Haus, den Krieg in Korea eskalieren zu lassen und zum anderen, entscheidenden Faktor, verstarb Josef Stalin anfangs März unerwartet im Amt. Dies führte dazu, dass Nordkorea und China erhebliche Teile der Forderungen des UNC akzeptierten, u.a. einen Austausch von freiwilligen Kriegsgefangenen sowie die Schaffung einer neutralen Überwachungskommission zur abschliessenden Regelung der Kriegsgefangenenfrage. Die Verhandlungen wurden dank des erstmals gegenseitigen Austauschs von Kriegsgefangenen (Operation Little Switch) am 27. April 1953 in Panmunjom wieder aufgenommen und im Gegensatz früherer Phasen zügig vorangetrieben. Diese Entwicklung widersprach den Vorstellungen des südkoreanischen Präsidenten Syngman Rhee in erheblichem Masse. Er wollte unbedingt bis zur erfolgreichen (Wieder)Vereinigung der koreanischen Halbinsel weiterkämpfen und sah, nicht zu Unrecht, dass ein Waffenstillstand diesem Vorhaben wahrscheinlich auf die Dauer ein Ende setzen würde.
Südkorea hat den Waffenstillstand weder gebilligt noch war es damit einverstanden; man hat sich ihm lediglich «nicht widersetzt». Diese Haltung zum Waffenstillstandsabkommen ist noch heute in Teilen der koreanischen Eliten verbreitet.
Urs Gerber
Rhee ging in seiner Obstruktion soweit, kurz vor Abschluss der Waffenstillstandsverhandlungen den Austritt Südkorea aus dem United Nations Command anzudrohen. Er forderte von den USA im Falle eines Waffenstillstands den Abschluss eines Verteidigungspakts sowie innert 90 Tagen Verhandlungen über eine Friedensordnung aufzunehmen, andernfalls würde Südkorea den Krieg unilateral bis zur Wiedervereinigung weiterführen. Eisenhower lenkte ein, konnte Rhee aber nicht zu einer aktiven Mitbeteiligung mit der Unterzeichnung des Abkommens bewegen. Südkorea hat den Waffenstillstand weder gebilligt noch war es damit einverstanden; man hat sich ihm lediglich «nicht widersetzt». Diese Haltung zum Waffenstillstandsabkommen ist noch heute in Teilen der koreanischen Eliten verbreitet.
Genau drei Monate nach Wiederaufnahme der Gespräche erfolgte die Unterzeichnung des Armistice Agreements am 27. Juli 1953. Das Prozedere widerspiegelt das enorme Misstrauen beider Seiten, das bis heute mehr oder weniger unvermindert anhält: Damit sich die Oberkommandierenden der beiden Seiten nicht treffen mussten, fand die Unterzeichnungszeremonie zeitgleich in Kaesong, wo Kim Il Sung und Peng Dehuai unterschrieben, und in Munsan statt, wo Mark Clark als Einziger für das UNC unterzeichnete. Anschliessend unterzeichneten die beiden Verhandlungsführer in Panmunjom in der extra dafür gebauten «Peace Pagoda» ohne Handschlag und ohne ein einziges Wort gewechselt zu haben.
Nach den vorgesehenen 72 Stunden waren sämtliche Formationen auf beiden Seiten hinter die jeweilige Demarkationslinie zurückgezogen, allerdings nicht ohne den Rückzug noch nachhaltig zu verminen. Man wollte ein allfälliges Vorrücken der Gegenseite verhindern. Nicht zuletzt deshalb sind noch nach knapp 70 Jahren weite Teile der DMZ seither nie mehr betreten worden.
Im anschliessenden Austausch der Kriegsgefangenen unter der Operation «Big Switch» wurden zuerst die freiwilligen Rückkehrer unter Aufsicht der Neutralen Repatriierungskommission (NNRC) ausgetauscht. Der Austausch erfolgte über die «Bridge of No Return», benannt nach dem Prozedere, dass wer die Brücke überquert, kann nicht mehr umkehren. Viele besonders regimetreue Gefangene entledigten sich vor dem Überqueren der Brücke nach Norden demonstrativ sämtlicher Kleider, um ihrer Verachtung gegenüber dem Süden Ausdruck zu verleihen…
Die letzte Episode mit Schwergewicht zum Waffenstillstand und seinen Folgen sowie zur Entstehung der Neutralen Überwachungskommission (NNSC) folgt demnächst!
In unserer fünfteiligen Serie «Korea Krieg» schreibt unser Experte und Historiker Urs Gerber zum Thema Korea Krieg. Er ist Präsident des Verwaltungsrates des Center for Asia Pacific Strategy (CAPS), Washington. Das Zentrum für Asien-Pazifik-Strategie wird von einem talentierten Team von Direktoren mit unterschiedlichem Hintergrund geleitet, die alle über umfassende Kenntnisse aus erster Hand und direkte Kontakte zur Asien-Pazifik-Region verfügen. Urs Gerber ist zudem Präsident des Stiftungsrats der Stiftung Historisches Material der Schweizer Armee und Co-Leiter des jährlichen Seminars für höhere Offiziere (ASOS) über Führung und Krisenmanagement am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP). Von Februar 2012 bis August 2017 war Urs Gerber Mitglied und Leiter der Schweizer Delegation bei der Aufsichtskommission der Neutralen Nationen in Panmunjeom, Republik Korea, von wo er Ende August 2017 zurücktrat.