Yangdabang – Filmkulisse für so manche K-Dramas

Warum im Lokal von Lee Mi-ae die Zeit stehen geblieben ist und der Ssanghwacha Tee mit rohem Ei bei den Koreanerinnen und Koreaner beliebt ist.

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Ich ging in Yeong-do, eine Insel am südlichen Rand des Zentrums von Busan, spazieren und suchte einen gemütlichen Ort, um eine Pause einzulegen. Im Hafenviertel entdeckte ich ein Café, das sehr alt aussah und “양다방” (Yangdabang) heisst. Dabang, das koreanische Wort für Coffeeshop ist ein Lokal, in welchem vor allem Kaffee, Tee und andere alkoholfreie Getränke serviert werden. Als ich das Dabang betrat, fühlte ich mich in die 1960er Jahr zurückversetzt und hatte das Gefühl, ich sei ein Teil einer alten, koreanischen Filmszene. Vor mir stand eine Frau mit rosa Lockenwicklern im Haar und begrüsste mich mit den Worten: “Möchten Sie Ssanghwacha 쌍화차 trinken?“ Ssanghwacha sei hier das beliebteste Getränk. Jeder, der in ihr Lokal komme, trinke Ssanghwacha, sagte die Dame,

Wenn alle hier Ssanghwacha trinken, dann werde ich es auch tun. Ich bestellte bei der Dame, welche Lee Mi-ae 이 미애 (56) heisst und die Besitzerin des Yangdabang ist. Während sie das berühmte Getränke zubereitete, habe ich mich mit ihr unterhalten.

Was ist Ssanghwacha für ein Getränk?

Das ist ein traditioneller koreanischer Tee und wird seit Generationen in Korea als medizinisches Getränk konsumiert. Er wird aus hochwertigen Zutaten wie Jujube, Pfingstrose, Pfeilwurz, mongolische Milchwurzel, Gojibeere, koreanische Engelwurz, Ingwer und Süßholz hergestellt. Am Schluss der Zubereitung fügt man dann noch ein rohes Ei hinzu.

Wenn ich mich so umschaue, entsteht für mich den Eindruck, als wäre die Zeit seit der Eröffnung stehen geblieben. Eine bunte Mischung aus altem Theater und Filmstudio aus den Sechzigerjahren. Nur mein Eindruck?

Nein, der Eindruck täuscht nicht. Abgesehen von der Deckenbemalung und dem Boden hat sich hier nichts verändert. Auch die Getränkekarte an der Wand ist noch die gleiche wie vor fünfzig Jahren. Seit ich 1967 dieses Dabang eröffnet habe, steht Ssanghwacha auf der Getränkekarte. Es ist bei uns das beliebteste Getränk. Viele der Seeleute, welche in Yeong-do arbeiten, kommen seit der Eröffnung des Dabang hierher. Manche von ihnen sind schon in Rente. Sie fühlen sich wohl hier und schwelgen oft in alten Erinnerungen. In meinem Dabang werden immer wieder mal Filmszenen für Korean Drama oder andere Filme gedreht. Sind die Filme dann öffentlich, lade ich diese herunter und speichere sie auf einem USB-Stick ab. Diesen gebe ich dann den Matrosen ab, welche die Filmszenen anschauen, welche in meinem Yangdabang vorkommen. Das macht die Matrosen glücklich.

Das Dabang von Lee Mi-ae 이 미애 dient oftmals als Filmkulisse für K-Dramas…
…und wird immer berühmter. | Photographer Daniel Thomas Faller

Hier werden Szenen für Korean Dramas und Filme gedreht?

Ja. Viele Filme wurden hier gedreht. Etwa dreimal pro Woche kommen verschiedene Fernsehsender, Theaterstücke und YouTuber hierher und drehen ein Video. Vor ein paar Jahren wurde hier Szenen für das Drama mit dem Titel “Life On Mars” gedreht. Seitdem habe ich in meinen Dabang auch viele Gäste aus Japan. Neulich wurden bei mir während vier Tagen Szenen für ein Drama gedreht. Es handelt sich um das Drama “Moving” in welchem die berühmten Schauspieler wie Han Hyo-joo und Zo In-sun die Hauptrollen spielen. Sobald dieses Drama ausgestrahlt wird, gibt es hier wohl vermutlich noch mehr Besucher.

Damals wurde der Kaffee in Thermoskannen abgefüllt und auf einem Tablett, welches man in ein Tuch einwickelte zu den Kunden und Seeleuten gebracht.

Lee Mi-ae 이 미애

Woher stammen die vielen alten Gegenstände, mit welchem sie das Dabang dekorieren?

Viele dieser Gegenstände erhalte ich aus der Nachbarschaft. Es gibt immer wieder Grossmütter, welche für ihre Gebrauchsgegenstände keine Verwendung mehr finden. Da sie aber noch viele Erinnerungen mit den für sie wertvollen Objekten teilen, fällt es ihnen oft schwer, diese wegzuwerfen. Daher bringen sie die Artikel zu mir ins Dabang, wo ich ihnen ein neues zu Hause gebe.

Gibt es heutzutage noch viele Dabgangs?

Als ich in den sechziger Jahren dieses Lokal eröffnete, gab es in unserem Quartier noch etwa 15 Dabangs. Doch im Laufe der Jahre verdrängten moderne Coffeeshops die traditionellen Dabangs. Für viele Besitzer wurden die Kosten für den Unterhalt der Lokale zu teuer. Sie mussten ihr Geschäft aufgeben. Ich hatte zu dieser Zeit jedoch grosses Glück und konnte das Gebäude kaufen. Somit entfallen für mich zumindest die Mietkosten…

War es früher einfacher, einen Dabang zu leiten?

Auf jeden Fall. Damals arbeiteten in meinem Lokal fünf weitere Angestellte. Sie lieferten in der ganzen Stadt Kaffee aus. Damals wurde der Kaffee in Thermoskannen abgefüllt und auf einem Tablett, welches man in ein Tuch einwickelte zu den Kunden und Seeleuten gebracht. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heutzutage gibt es an jeder Ecke ein moderner Coffeeshop. Daher liefere ich auf die traditionelle Art den Kaffee nur noch an ein, zwei Standorte aus.

Früher wurde der Kaffee noch in Thermoskannen geliefert. | Photographer Daniel Thomas Faller

Hat dies einen Einfluss auf die Kundschaft?

Im Vergleich zu früher, ja. Ich bin aber in der glücklichen Lage, dass ich immer noch eine treue Kundschaft habe. Vor allem in den Morgenstunden sind es die Matrosen, welche vor der Arbeiten bei mir im Lokal vorbeischauen und einen Ssanghwacha trinken.

Die Hochsaison ist im Herbst und Winter. Wenn es draussen dann wieder so richtig kalt wird, suchen viele Kunden mein Dabang auf, um bei einem Ssanghwacha aufzuwärmen. An sommerlichen Tagen wie heute ist das Lokal jedoch fast leer.

Wie lange wird es wohl ihren Dabang noch geben?

Viele meiner Gäste wünschen sich, dass das Lokal so bleiben soll wie es ist. Auch die Stadtverwaltung von Young-do selbst hat ein grosses Interesse am Erhalt dieses Dabangs. Solange dies meine Gesundheit zulässt, möchte ich noch viele Jahre meine Kundschaft mit Ssanghwacha beglücken.

Nachdem Lee Mi-ae den speziellen Tee zubereitet hatte stellt sie mir dieses doch eher spezielle Getränk auf den Tisch und ergänzte folgendes: “Ssanghwacha ist wie eine Medizin. Trinke den Tee mit dem Eigelb aus. Somit kannst Du Erkältungen vorbeugen.“ Ich nahm die Tasse und schluckte das Eigelb, welches durch die Hitze des Tees ein wenig erstarrte, brav wie Medizin herunter. Jetzt hoffe ich nur, dass Lee Mi-ae recht behält und ich diesen Winter dank des Ssanghwacha nicht krank werde.

Yeim Choi

DADAEPO | Korea

Yeim ist gebürtige Koreanerin und lebt in Dadaepo, Busan. Sie hat viele Interessen: In unterschiedliche Kulturen einzutauchen, Sprachen zu lernen (Englisch und Indonesisch), die Welt zu erkunden, die Geschichten der Menschen zu hören, zu schreiben, zu zeichnen und Klavier zu spielen. Vor allem aber möchte sie die Welt zu einem besseren Ort machen.

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