Vorgeschichte eines vergessenen Krieges

Von der Befreiung zur Teilung hin zum (Bürger) Krieg? Unser Experte, Generalmajor a.D. Urs Gerber gibt uns spannende Hintergrundinformationen zum Korea Krieg.

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Am 15. August 1945 erfolgte mit der Kapitulation des Japanischen Kaiserreichs die Befreiung der Koreanischen Halbinsel vom verhassten Kolonialjoch Japans. Der in Korea als “Gwangbokjoel” gefeierte Jahrestag der Befreiung war gleichzeitig auch der Beginn der Teilung der Halbinsel, was am Befreiungstag allerdings noch nicht absehbar war. An den verschiedenen Konferenzen zur Regelung der Nachkriegsordnung des Zweiten Weltkriegs kam ab Teheran 1943 auch Korea immer wieder auf die Agenda, ohne allerdings zu einer formellen Einigung zu kommen. Auch noch in der Konferenz in Jalta vom Februar 1945 wurde zwar über Korea gesprochen, zumal die Sowjetunion einwilligte, in den Krieg gegen Japan einzutreten. Der amerikanische Vorschlag zur Schaffung von zwei Treuhandzonen unter sowjetischer Leitung im Norden und amerikanischer Leitung im Süden wurde von Stalin zur Kenntnis genommen, aber nicht zugestimmt.

Ausrufung der Republik Kora am 15. August 1948.

Durch den Abwurf der beiden Atombomben über Hiroshima und Nagasaki erfolgte der Zusammenbruch des Kaiserreichs rascher als erwartet und die «Koreafrage» war immer noch ungelöst, zumal sich die USA aus Rücksicht auf den Allianzpartner Grossbritannien mit seinen grossen Kolonien in Asien nur auf die «Befreiung» und nicht auf die «Unabhängigkeit» Koreas festlegen wollte. Damit ergab sich für die USA die unangenehme Situation, dass sowjetische Truppen aus der Mandschurei heraus nach Korea einmarschierten, das amerikanische Gegengewicht im Süden noch gar nicht eingetroffen war und keine Abmachung vorlag, wie die beiden Besatzungszonen aussehen sollten sowie insbesondere die Grenzziehung noch offen war. Erst am 9. August 1945, einen Tag nach Abwurf der Atombombe auf Nagasaki, erhielte die Oberstleutnants Sean Rusk, nachmaliger langjähriger Aussenminister der USA, und Charles Bonesteel, nachmaliger Kommandant United Nations Command, den Auftrag, ohne spezielles Vorwissen den Auftrag, die Grenzziehung auszuarbeiten. Am Tag darauf wurde den Sowjets der 38. Breitengrad vorgeschlagen und sogleich von diesen akzeptiert.

Wie im Nachkriegseuropa bauten beide Besatzungsmächte Strukturen auf, welche gerade im Norden mit der raschen Gründung der koreanischen Arbeiterpartei (WPK) auch politisch-ideologisch eine klare Abgrenzung zum Süden beinhaltete und dank dessen Attraktivität und zielgerichteter Führung unter dem 33-jährigen Kim Il-Sung auch im südlichen Teil Koreas unter den meist land- und mittellosen Reisbauern eine erhebliche Anzahl Sympathisanten fand. Mit dem durch die USA im Süden als politischen Führer eingesetzten Syngman Rhee standen sich zwei Kontrahenten gegenüber, die beide als unbedingtes Ziel die rasche Wiedervereinigung der beiden Teile Korea zum Ziel hatten. Unter der Schirmherrschaft der noch jungen Vereinten Nationen versuchten die USA und Rhee 1947 gesamtkoreanische Wahlen durchzuführen, welche am Boykott des Nordens bereits vor dem eigentlichen Urnengang scheiterten.

Kim Il Sung 김일성, stalinistischer Diktator von Nord Korea (1948 – 1994). Geboren am 15.04.1912 ( Mankeidai, Chosen, damals Japanisches Kaiserreich), gestorben am 08.07.1994 (Pjöngjang, Nordkorea).
Syngman Rhee, Präsident von Süd-Korea (1948-1960). Geboren am 26.03.1875 (Nord Korea), gestorben am 19.07.1965 (Honolulu, Hawaii).

Syngman Rhee liess dann 1948 im südlichen Teil eine südkoreanische Verfassung annehmen. Am 3. Jahrestag der Befreiung wurde die Republik Korea ausgerufen und Rhee als erster Präsident eingesetzt. Kim Il Sung zog sofort nach und proklamierte drei Wochen später am 9. September die Volksrepublik Korea. Damit war de jure die Teilung der beiden Koreas vollzogen, die Zielsetzung der Wiedervereinigung wurde höchstens noch ausgeprägter.

In der Umsetzung dieser übergeordneten Zielsetzung waren allerdings die Spiesse nicht gleich lang: Kim Il Sung konnte dank der Attraktivität der Ideen der WPK (insbesondere Landreform) auch im Süden zur Destabilisierung gewisser Regionen des Südens beitragen und damit Rhee unter Druck setzen. Zudem zeigte sich Stalin nach Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen gegen Ende 1948 resp des U.S. Kontingents im Sommer 1949 bereit, unter gewissen Bedingungen die Vereinigungsabsichten Kims direkt zu unterstützen. Rhee’s sehr traditionell-konservatives, streng anti-kommunistisches Weltbild vermochte im Norden nicht zuletzt auch wegen des sehr harschen Regimes von Kim Il-Sung nicht zu verfangen. Zudem war er stark mit der Niederschlagung der aus seiner Sicht kommunistischen Demonstrationen und teilweise Aufstände im Südwesten sowie auf Jeju beschäftigt, was sich auch auf die Ausrüstung, Ausbildung und teilweise Einsatz der neuen südkoreanischen Streitkräfte auswirkte. Die USA waren bereit, diese «Polizeioperationen» zu dulden resp. teilweise nachrichtendienstlich zu unterstützen, nicht aber aktive Unterstützung zur Wiedervereinigung zu leisten. Im Juni 1949 zog sich zudem das U.S. Army Kontingent praktisch vollkommen nach Japan zurück, zumal für die USA die Nachkriegsregelung für Japan von überragender Bedeutung war.

15. August 1948: Zeremonie zur Amtseinführung der Regierung der Republik Korea.

Nach dem Rückzug der Besatzungstruppen auf beiden Seiten sah Stalin die für ihn bis dann wichtige Stabilität auf der koreanischen Halbinsel durch einen möglichen Angriff des Südens auf den Norden gefährdet, da die südkoreanischen Kräfte nun nicht mehr «unter Kontrolle» seien. Ab Februar 1949 gelang es deshalb Kim Il Sung Stalin zu zunehmenden Unterstützungsleistungen zu bewegen. Eine massive Ausrüstungswelle primär mit mechanisierten Mitteln und entsprechender Ausbildung formte die Koreanische Volksarmee (KPA) bis Mitte 1950 in eine modern ausgerüstete und angriffsfähige Streitmacht um. Ein «grünes Licht» zum militärischen Angriff auf den Süden verweigertes Stalin vorerst mit dem Hinweis, das Problem «nicht-militärisch» durch die revolutionäre Unterwanderung des Südens zu lösen. Da dies nicht gelang, machte Stalin dann sein Einverständnis von einer Zusicherung militärischer Unterstützung durch den unterdessen im chinesischen Bürgerkrieg siegreichen Mao Tse Tung, zumal er unter allen Umständen ein eigenes aktives Eingreifen, zumindest zu Lande, verhindern wollte.

Anführer der provisorischen Regierung – sie spielten innerhalb der Unabhängigkeitsbewegung eine entscheidende Rolle.

Im Frühsommer 1950 erhielt Kim Il Sung vom neuen chinesischen Machthaber die Zusage allenfalls zugunsten der KPA in einen Konflikt einzugreifen. Zudem verfügte die KPA unterdessen über mehrere einsatzfähigen Panzerdivisionen, unter anderem ausgerüstet mit dem im 2. Weltkrieg sehr erfolgreichen T-34. Unterdessen hatte sich auch die Lage am 38. Breitengrad erheblich verschlechtert. Immer wieder kam es zu Gefechten zwischen Formationen beider Seiten bis auf Bataillonsstufe im Bestreben, mittels Pfandnahme Geländegewinne zu erzielen. Damit war der koreanische Bürgerkrieg, wenn auch auf taktischer Stufe, bereits in vollem Gange. Zu allem Unheil dürfte auch die Message des amerikanischen Aussenministers Dean Acheson im Februar 1950, wonach Korea sich nicht mehr im Interessenraum amerikanischer Aussenpolitik befinde, in Pjöngjang mit Genugtuung aufgenommen worden sein. Damit wird der in Südkorea gerade anlässlich der Gedenkfeiern zum Beginn des Koreakriegs am 25. Juni immer wieder gemachte Hinweis auf den Überraschungsangriff an diesem trüben Sonntagmorgen im Jahr 1950 erheblich relativiert. Die Ausweitung des bewaffneten Konflikts war imminent. Die Überraschung bestand höchstens bezüglich des Wann nicht aber bezüglich des Was.

Teil 2 zur ersten Phase des Krieges (Juni 1950 bis Juni 1951) folgt demnächst!

In unserer fünfteiligen Serie «Korea Krieg» schreibt unser Experte und Historiker Urs Gerber zum Thema Korea Krieg. Er ist im Vorstand des Center for Asia Pacific Strategy (CAPS), Washington. Das Zentrum für Asien-Pazifik-Strategie wird von einem talentierten Team von Direktoren mit unterschiedlichem Hintergrund geleitet, die alle über umfassende Kenntnisse aus erster Hand und direkte Kontakte zur Asien-Pazifik-Region verfügen. Urs Gerber ist zudem Präsident des Stiftungsrats der Stiftung Historisches Material der Schweizer Armee und Co-Leiter des jährlichen Seminars für höhere Offiziere (ASOS) über Führung und Krisenmanagement am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP). Von Februar 2012 bis August 2017 war Urs Gerber Mitglied und Leiter der Schweizer Delegation bei der Aufsichtskommission der Neutralen Nationen in Panmunjeom, Republik Korea, von wo er Ende August 2017 zurücktrat.

United Nations Command 64th Armistice Agreement Memorial Ceremony, 27th July 2016. | Photographer Daniel Thomas Faller

Urs Gerber

Urs ist Präsident einer Stiftung, die die Sammlung des historischen Materials der Schweizer Armee bewirtschaftet. Seit er als Leiter der Schweizer NNSC-Delegation in Panmunjom tätig war, interessiert er sich sehr für die koreanische Politik, Geschichte und Kultur. Er freut sich darauf, nach Aufhebung der Covid-19-Reisebeschränkungen in der Innenstadt von Seoul einen Bibimpap mit heißem Stein zu probieren...

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