Auch Koreaner haben einen grünen Daumen

Urban Gardening ist in Seoul ein Luxus. Wer eine Karriere als Hobbygärtner starten möchte braucht Geduld und vor allem Glück.

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Die Tage werden wieder länger, die Temperaturen in den Morgenstunden sind angenehm mild. Eine gute Zeit für Hobby Gärtner, die ihr erstes Gemüse vom eigenem, kleinen Schrebergarten ernten wollen. Der Trend von Kleingärtnern und dem Urban Gardening ist auch in Korea angekommen. Wer einen eigenen kleinen Schrebergarten in Seoul mieten will, steht erst einmal auf einer langen Warteliste. Denn die Sehnsucht nach ein wenig Grün ist in Seoul riesig.  

Für Daniel war ein Schrebergarten bis heute nur ein Wunsch. Auch er bewarb sich für einen dieser begehrten «kleinen Gärten» im Yongsan Family Park in Seoul. Doch leider ohne Erfolg.

Bei seinem täglichen Spaziergang stoppt Daniel manchmal bei den Gartenbeeten, bestaunt das wachsende Gemüse und unterhaltet sich mit den Menschen, die dort ihre Freizeit verbringen. Dabei hat er schon die eine oder andere interessante Geschichte gehört. Ich wurde neugierig und auch ich möchte mehr über diese Menschen erfahren. Spontan treffe ich Jinsook Jeon 전진숙 im Yongsan Family Park für ein Interview.

Wann geht es bei Ihnen so richtig los mit dem «Gärtnern»?

Die Aussaat beginnt normalerweise im Februar oder März, abhängig von der Art der Pflanzen und Gemüse. In Korea werden Salate, junger Rettich sowie die Kronenmargeriten Ende April bis in den Mai gepflanzt. Wenn das Wetter wärmer wird, können wir bereits den ersten Salat ernten. Danach pflanzen wir neues Gemüse an.

Die Kollegin von Jinsook Jeon bei der ersten Ernte. | Photographer Daniel Thomas Faller

Warum betreiben Sie einen Schrebergarten?

Ich bin auf dem Land aufgewachsen und konnte so oft meine Eltern beim Landwirtschaften zuschauen. Damals hat mich die Gartenarbeit allerdings nicht sehr interessiert. Als erwachsene Person erkannte ich jedoch bald viel Positives beim Gärtnern. Erstens ist es sehr entspannend, dann schmeckt das eigene Gemüse einfach viel besser und weil man es selber angepflanzt hat, entsteht eine neue Wertschätzung für Lebensmittel. Zusammengefasst: Die Gartenarbeit macht mich glücklich.

Die Gartenarbeit macht mich glücklich.

Jinsook Jeon

Wie sind Sie organisiert?

Bei uns im Yongsan Family Park bekommen wir fachtechnische Unterstützung. Es werden Kurse angeboten, in denen man lernt, wie man Pflanzen und Gemüse auf natürliche Weise vor Schädlingen schützt kann oder wie man natürlichen Dünger herstellen kann. Diese werden rege besucht, vor allem von Anfängern, die zum ersten Mal ihren eigenen kleinen Garten bewirtschaften. Die Community bei uns ist sehr gut organisiert. Wir erhalten jeweils via Band (das südkoreanische Messenger-App) Gartentipps und Ankündigungen von neuen Gartenschulungen.

Ist gut organisiert: der Schrebergarten vom Yongsan Family Park. | Photographer Daniel Thomas Faller

Seoul ist eigentlich eine grüne, hügelige Stadt. Es gibt Parks, viel Wald und Berge. Doch Familiengärten habe ich bis jetzt noch sehr wenige gesehen. Warum ist das so?

In Seoul gibt es bis jetzt noch sehr wenige Familiengärten. In unserem Bezirk Yongsan-gu, zu welchem der Yongsan Family Park gehört, gibt es nur diesen einen Stadtgarten mit 150 Einheiten. Diese sind im Park einbettet, zwischen einem kleinen See und viel Grün. Die Einheit von einem Gartenteil besteht aus einer Fläche von zwei Pyeong (das sind etwa 6,61m2). Familiengärten in Seoul liegen im Trend. Die Nachfrage ist sehr hoch. Daher wird es immer schwieriger, eine Pacht für ein Jahr zu erhalten. Die Warteliste ist lang. Da braucht man schon sehr viel Glück.

Welche Art von Menschen trifft man in den Schrebergärten? 

Oftmals sind es Leute, die in ihrer Jugend schon Erfahrungen mit der Landwirtschaft gemacht haben. Es gibt aber auch viele Familien mit Kindern, welche die Natur direkt erleben und erlernen möchten. Von der Hausfrau bis zum ehemaligen ROK Admiral (Republic of Korea Navy)… eine bunt gemischte Gesellschaft ist interessiert an der Gartenarbeit.

Die Motivation der Hobbygärtner ist gross. | Photographer Daniel Thomas Faller

Wenn ich mich hier so umschaue, sehe ich eine grosse Palette von Produkten, welche angepflanzt werden. Dies reicht von einfachen Salaten bis zu Wassermelonen. Was haben Sie dieses Jahr angepflanzt?

Verschiedene Salate, Gurken, Chilischoten, grüne Zwiebeln, Auberginen und Gänseblümchen. Gerne würde ich noch weitere Gemüsesorten anpflanzen, doch ist der Platz sehr begrenzt.

Die Schere ist ein wichtiges Werkzeug, welches Sie beim Gärtnern benutzen. Für was genau?

Wenn wir zum Beispiel Salat ernten, dann schneiden wir nur einzelne Blätter ab, von aussen gegen innen. So ernten wir nur gerade soviel wie wir brauchen. Und die Pflanze kann sich dann noch weiterentwickeln. Zudem legen wir auch bei der Gartenarbeit Wert auf Ordnung und Aussehen.

Darf bei der Salaternte nicht fehlen: die Schere. | Photographer Daniel Thomas Faller

Der Trend der Sharing-Economy ist auch im Schrebergarten angekommen. Wie sind Sie organsiert?

Die landwirtschaftlichen Geräte, wie Spaten, Hacken und Giesskannen werden vom Yongsan Family Park zur Verfügung gestellt. Ebenso werden wir durch diese Organisation fachlich betreut und begleitet.

Jedem seine eigene, kleine Farm. | Photographer Daniel Thomas Faller

Die Ernte kann manchmal sehr üppig ausfallen. Können Sie das alles allein verwerten oder wird ein Teil verkauft?

Für einen Verkauf ist die Fläche zu klein. Zudem habe ich verschiedene Gemüsesorten angepflanzt. Die Ernte teile ich dann meistens mit meiner Familie und Freunden. Ich wünschte, ich könnte mehr von meiner Ernte verteilen.

Im Schrebergarten gibt es auch immer mal wieder Tiere, die nicht willkommen sind. Ich denke da an Schnecken und Insekten. Wie gehen Sie damit um?

Im Yongsan Family Park ist es nicht erlaubt, chemische Düngermittel und Pflanzenschutzmittel zu verwenden. Daher lernt jeder in einem Kurs, wie man mit Schädlingen umgeht. Ich, zum Beispiel, verwende Eierschalen. Die Zubereitung ist zwar etwas aufwändig, aber sehr wirksam. Die Eierschalen werden bei hoher Temperatur gebraten. Wenn diese goldbraun sind und knacken, füge ich Essig hinzu. Die Mischung wird mit Wasser, im Verhältnis 100:1, verdünnt und für etwa zehn Tage gelagert. Dieses natürliche Insektizid ist auch gut, weil es viel Kalzium enthält. Ich habe letzten Herbst vier Liter davon hergestellt. Es gibt jedoch auch eine Möglichkeit, Insektizid mit Wasser und Soju herzustellen…

Wenn der Platz nicht ausreicht, “baut” man in die Höhe. | Photographer Daniel Thomas Faller

Nun können wir nur hoffen, dass Daniel im nächsten Jahr etwas mehr Glück hat und einen eigenen Schrebergarten bewirtschaften kann. Die Samen für Knollensellerie, Fenchel und Rhabarber, welche er aus der Schweiz erhalten hat, liegen zur Aussaat bereit…

Yeim Choi

DADAEPO | Korea

Yeim ist gebürtige Koreanerin und lebt in Dadaepo, Busan. Sie hat viele Interessen: In unterschiedliche Kulturen einzutauchen, Sprachen zu lernen (Englisch und Indonesisch), die Welt zu erkunden, die Geschichten der Menschen zu hören, zu schreiben, zu zeichnen und Klavier zu spielen. Vor allem aber möchte sie die Welt zu einem besseren Ort machen.

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