Leben in Zeiten von Corona #4

Warum werden Kunden heutzutage immer aggressiver wenn es um die Covid-19 Regeln geht und welche Auswirkungen hat dies für die Angestellten?

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Vor einigen Wochen habe unser neues Teammitglied beim Schauplatz Korea Magazine, Hyeonji Ko 고현지, 22, kennengelernt. Sie studiert Koreanische Sprache und Literatur an der Dong A Universität und lebt, wie ich, in Busan. Bei unserem Gespräch habe ich erfahren, dass sie in ihrer knappen Freizeit bei einem grossen koreanischen Einkaufszentrum arbeitet. Wie es wohl sein muss, während der Covid-19 Zeit in einem Teilzeit Job zu arbeiten? Ich wollte mehr darüber erfahren und habe Hyeonji spontan zu einem Interview eingeladen.

Hyeonji, was genau ist dein Job?

Ich arbeite im Sicherheitsbereich und kontrolliere, ob die Kunden, welche unser Geschäft besuchen, sich gemäss den Covid-19 Regeln, korrekt verhalten. Wie überall in Korea, müssen sich die Besucher registrieren. Dies können sie auf drei verschiedene Arten tun. Sie registrieren sich mit ihrem Mobiltelefon via QR-Code, sie tragen sich auf einer Besucherliste ein oder sie rufen eine spezielle Telefonnummer an.

Aktuell einen Teilzeitjob zu bekommen, ist nicht ganz einfach. Wie war es bei dir?

Tatsächlich ist das sehr schwierig. Denn auch für einen Teilzeitjob werden erfahrene Arbeitskräfte gesucht. Dazu kommt, dass in Korea der Mindestlohn angehoben wurde, was zur Folge hat, dass viele Unternehmen nur noch sehr selektiv neue Mitarbeitende anstellen.

Aber ich hatte Glück. Bis vor kurzem arbeitete ich noch in einem Teilzeitpensum an der Universität. Dieser Job war befristet und endete mit Beginn der Semesterferien. Für mich war von Anfang klar, dass ich mir danach einen Job suchen werde, um Geld zu verdienen. Im richtigen Moment meldete sich eine Freundin bei mir. Für Ihren Job wurde eine Nachfolgerin gesucht. Also überlegte ich nicht lange, bewarb mich und konnte so ihre Aufgaben übernehmen. Meiner Freundin bin ich für diesen Hinweis sehr dankbar (lacht).

Es gibt immer noch Kunden, welche sich aus verschiedenen Gründen nicht an die Covid-19 Regeln halten wollen. | Photographer Daniel Thomas Faller

Was sagte deine Familie zum neuen Job?

Als Studentin einen Teilzeitjob zu bekommen, ist immer eine gute Sache. Meine Familie freute sich und war der Meinung, ich hätte Glück gehabt. In diesem Job könne ich den ganzen Tag sitzen und es anstrengend sei die Arbeit auch nicht besonders. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass oft das Gegenteil der Fall ist.

Besonders schwierig wird es, wenn mich die Kunden persönlich angreifen und beschimpfen.

Hyeonji Ko 고현지

Was ist dann so anstrengend bei deiner Arbeit?

Bei einem so grossen Einkaufszentrum kommen oft viele Mensch aus verschiedenen Gesellschaftsschichten zusammen. Es gibt Menschen, die kein Mobiltelefon besitzen oder falls sie eines besitzen, dieses nicht bedienen können. Dann gibt es Ausländer, die Koreanisch nicht verstehen oder Obdachlose, die weniger über die aktuelle Lage informiert sind und Kunden, die auf keinen Fall ihren Standort preisgeben wollen. Deshalb ist es oft eine grosse Herausforderung, allen Kunden die Datenerfassung zu erklären und sie darauf hinzuweisen, dass sie sich mit einem QR-Code registrieren müssen, bevor sie den Laden betreten.

Besonders schwierig wird es, wenn mich die Kunden persönlich angreifen und beschimpfen. Auch werde ich gefragt, ob ich überhaupt wisse, was ich hier tue. Ob ich mir sicher sei, dass dies das Richtige sei. Das Ganze sei doch absurd und nicht nötig. Solche Begegnungen sind nicht ganz einfach. Sie machen mich nachdenklich und können manchmal sehr frustrierend sein.

Wie gehst Du mit solchen Situationen um?

Am Anfang wusste ich oft nicht, wie reagieren. Ich blieb freundlich und nett und war froh, wenn die Besucher in den Laden eintreten konnten. Ich nehme immer meine Aufgabe wahr und machen sie auf die Regeln aufmerksam. Allerdings muss ich sagen, dass solche Situationen viel Nerven kosten und anstrengen sind.

Es gibt aber auch Momente, in denen ich meine Fassung verliere und innerlich wütend werde. Dem Kunden gegenüber darf ich das nicht zeigen. Freundlichkeit und Professionalität sind da gefordert. Von Natur aus bin ich eine energische und sehr lebhafte Person. Muss ich mich allerdings zu fest verstellen und kann meinen Emotionen nicht freien Lauf lassen, erstarrt mein Gesichtsausdruck. Mechanisch versuche ich dann, freundlich, ruhig und professionell zu bleiben.

Temperaturmessung beim Eingang im Einkaufszentrum. | Photographer Daniel Thomas Faller
Hier wird man informiert, wann das Gebäude desinfiziert wird und die Raumlüftung stattfindet. | Photographer Daniel Thomas Faller

Warum denkst du, sind viele Menschen so ungehalten?

Es liegt vermutlich daran, dass viele Kunden denken, dass ich ja nur eine junge Studentin bin. Der Kunde ist immer König und hat die stärkere Position. Der Teilzeitarbeiterin hingegen ist auf der untersten Stufe der Hierarchie im Unternehmen. Dies lassen uns viele Kunden leider allzu oft spüren und nutzen diese Situation aus.

Und trotzdem machst du diesen Job?

Ja klar. Als Studentin muss ich nebenbei ja irgendwie Geld verdienen. Ich möchte aber auch erwähnen, dass es manchmal auch sehr nette und freundliche Kunden gibt. Dies sind oft jüngere Kunden oder aber Ausländer, welche nicht so gut koreanische sprechen. Sie alle halten sich meist an den Leitfaden und registrieren sich auf der Besucherliste. Und wenn ich dann noch ein 감사합니다, ein Dankeschön auf koreanisch bekomme, gibt mir das wieder viel positive Energie. Zudem gibt es viele nette Mitarbeitende und Kollegen, welche mir helfen und mich unterstützen. Gelegentlich kaufen sie mir auch Kaffee und Snacks, was mich sehr berührt.

Hyeonji Ko 고현지: stets freundlich und professionell gegenüber der Kundschaft. | Photographer Daniel Thomas Faller

Wie lange arbeitest du noch hier bei der Eintrittskontrolle?

Mein Einsatz hier ist begrenzt bis Ende August 2021.

Hast Du noch einen Tipp an deine Nachfolgerin oder Nachfolger?

Das Wichtigste in diesem Job ist: Aufmerksam zuhören, beobachten und wenn nötig, das Gespräch suchen und helfen. Denn ich denke, die Probleme entstehen meist dann, wenn wir nicht richtig kommunizieren. Und sind wir dann alle noch freundlich und respektieren uns gegenseitig, dann steht einem erfolgreichen Tag nichts mehr im Weg.

Yeim Choi

DADAEPO | Korea

Yeim ist gebürtige Koreanerin und lebt in Dadaepo, Busan. Sie hat viele Interessen: In unterschiedliche Kulturen einzutauchen, Sprachen zu lernen (Englisch und Indonesisch), die Welt zu erkunden, die Geschichten der Menschen zu hören, zu schreiben, zu zeichnen und Klavier zu spielen. Vor allem aber möchte sie die Welt zu einem besseren Ort machen.

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