Leben in Zeiten von Corona #3

Der Traum einer koreanischen Opernsängerin - oder was eine Reise in die Schweiz alles auslösen kann.

8 mins read

Seit dem Ausbruch von Corona können viele Veranstaltungen nicht mehr durchgeführt werden. Auch meine wöchentlichen Sing-Proben in einem koreanischen Chor gehören leider dazu. Seit März 2020 sind unsere gemeinsamen Proben gestrichen. Dies führt auch dazu, dass man Freunde und Bekannte aus dem Chor meist nur noch online treffen kann. Von einigen habe ich schon seit längerer Zeit nichts mehr gehört.
Dazu gehört auch A Yeon Heo 허아연 , 34. Sie hat an der University of Seoul Gesang und Schauspiel studiert und ist bei uns im Chor Solosängerin.

Deshalb hat es mich besonders gefreut, als ich vor einigen Tagen eine KakaoTalk Message von A Yeon erhalten habe. Ein kurzer Gruss mit der Anmerkung, sie sei jetzt in Europa. Eine gute Gelegenheit, mich mit A Yeon wieder einmal länger zu unterhalten – natürlich online.

A Yeon, du bist zurzeit in Europa. Machst du Ferien?

Ferien? Nein, nein. Ich bin jetzt seit zehn Tagen in Deutschland und mache eine Aufnahmeprüfung für die Musikhochschule. Es bleibt mir aber dennoch ein wenig Zeit, Freunde und Lehrer zu treffen.

Mein Wunsch, im Ausland Musik zu studieren, wurde immer stärker.

A Yeon Heo

Warum gerade Deutschland?

Seit meiner Jugend war es schon mein Traum, in Deutschland Gesang zu studieren. Diesen Traum musste ich damals jedoch zur Seite stellen, da mein Vater dagegen war. So habe ich zuerst meinen Master in Schauspielerei und Gesang in Korea abgeschlossen. Als wir mit dem Chor 2018 für eine Konzerttournee in die Schweiz reisten, begann ich, wieder intensiv über meinen Traum nachzudenken. Mein Wunsch, im Ausland Musik zu studieren, wurde immer stärker. Zurück in Seoul habe ich mich lange mit meinem Vater über ein mögliches Studium in Deutschland unterhalten. Und dieses Mal wollte er mich bei meinen Vorhaben unterstützen, wenn auch – aus meiner Perspektive – viel zu spät …

허아연A Yeon Heo’s Auftritt anlässlich der Konzertreise in der Schweiz. | Photo by Myung hwan Kim

Was braucht es für Voraussetzungen, um in Deutschland Gesang zu studieren?

Da ich Oper-Gesang studieren möchte, benötige ich neben dem Singen auch Ausdruck- und Schauspielkompetenz. Und, für mich eine nicht weniger grosse Herausforderung, Sprachkenntnisse in Deutsch (B1).

Du hast in Korea bereits erfolgreich ein Masterstudium in Schauspielerei und Gesang abgeschlossen. Was versprichst du dir von dieser Zusatzausbildung in Deutschland?

Natürlich bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. In Korea gibt es sehr viele Musik-Studenten. Einen Job nach dem Studium zu finden ist sehr schwierig. Der Konkurrenzkampf ist gross. Daher ist es von Vorteil, wenn man ein zusätzliches Studium einer ausländischen Universität, wie zum Beispiel Deutschland, vorweisen kann. Zudem geniessen deutsche Studienlehrgänge im Bereich Kunst und Musik in Korea einen ausgezeichneten Ruf. Dies ist bei der Jobsuche sicherlich von Vorteil.

Wie lange hast du dich auf diese Aufnahmeprüfung vorbereitet?

Seit meinem Master Abschluss habe ich mich fast neun Jahre nicht mehr so intensiv mit dem Gesang auseinandergesetzt. Daher war mein Aufwand für diese Aufnahmeprüfung grösser als erwartet. Am Ende waren es dann doch zwei Jahre, in welchen ich mich mit Gesang und dem Erlernen der deutschen Sprache befasst habe.

Was war dabei die grösste Herausforderung?

Für mich als Koreanerin sicherlich die deutsche Sprache. Zudem wollte ich mich ursprünglich in Deutschland für die Aufnahmeprüfung vorbereiten. Corona hat jedoch all meine Pläne über den Haufen geworfen. Und so wurde das ganze Vorhaben um ein Jahr verschoben. Die grösste Herausforderung war, dass ich Teile der Prüfung mittels einer Videoprüfung ablegen musste.

Vorsingen für die Aufnahmeprüfung. | Photo by A Yeon Heo

Wer ist dein grosses Vorbild?

조수미 Jo su-mi, sie ist Koreanerin und eine der bekanntesten Sopranistinnen der Welt.

Eine Reise nach Europa – in Zeiten von Corona – ist sicher nicht unproblematisch. Du musstest dich schon vor einiger Zeit für diese Reise entscheiden. Dies als Europa sich in der 2. Welle befand. Was für Vorkehrungen musstest du treffen?

Die Vorbereitungen waren sehr anstrengend. Ich wusste lange nicht, wann und vor allem ob ich überhaupt einreisen konnte. Da ich lange auf eine Bestätigung und Einladung der Universität warten musste, konnte ich in der Zwischenzeit auch keinen Visumsantrag stellen. Und irgendwann musste ich ja mal auch meine Flüge buchen. Dass dann auch die Einreisebstimmungen fast täglich geändert haben, machten die Planung nicht gerade einfacher…

Wie hat dein Umfeld auf deine Europareise reagiert?

Am Anfang hatte alle Angst um mich. Als das Abreisedatum näher rückte, hatte sich die Lage in Europa schon wieder etwas «entspannt». Es wurden immer mehr Menschen geimpft. Meine Familie und Freunde waren dann etwas erleichtert.

Wie lief es bei deiner Einreise in Deutschland?

Sehr unspektakulär. Ich musste meine entsprechenden Dokumente, wie Visum, Einladung der Universität und natürlich den PCR Test vorweisen. Eine Quarantäne war nicht nötig. Da ich jedoch nicht geimpft war, wurde meine Unterkunftsreseravation kurzfristig storniert. Daher musste ich mich bei der Ankunft um eine neue Unterkunft kümmern, was in einem fremden Land nicht ganz einfach ist.

Trotz Prüfungsstress bleibt auch noch ein wenig Zeit, um die Umgebung zu erkunden und Freunde zu treffen. | Photo by A Yeon Heo

Du bist nun seit 10 Tagen in Deutschland. Dort fällt in gewissen Teilen langsam die Maskentragpflicht. Hier in Korea hat sich die Situation diesbezüglich jedoch bis heute nicht gross verändert. Wie empfindest du das?

Anfänglich war es für mich schon ein wenig gewöhnungsbedürftig. Doch die Menschen hier sind – zumindest was ich so sehe – sehr diszipliniert. Sie halten die Regeln ein und tragen die Masken dort, wo es Pflicht ist.

A Yeon, wo wird man dich in Zukunft antreffen. Auf den grossen Bühnen in Korea oder Europa?

Lacht. Ich habe die Aufnahmeprüfung noch nicht bestanden und bin auch noch an keiner Universität eingeschrieben. Ich würde überall gerne arbeiten. Doch mein heimlicher Favorit ist schon Deutschland oder ein anderes Land in Europa…

Toi toi toi für deine nächsten Prüfungen und alles Gute auf deinem weiteren Weg.

Daniel Thomas Faller

SEOUL | Korea

Daniel ist der Gründer des Schauplatz Korea Magazins, Chefredakteur und kreativer Leiter. Er ist gebürtiger Schweizer und Korea-Liebhaber, der in Seoul lebt. Daniel interessiert sich für die Geschichten und Projekte von Menschen und hat eine Leidenschaft für visuelle Kunst und Fotografie. Gerne lässt er sich von Makgeolli verführen...

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.


The reCAPTCHA verification period has expired. Please reload the page.

error: Alert: Content is protected !!