Es ist Samstag morgen und mein Artikel, welcher ich über Gina und Curtis schreiben will, ist schon längst überfällig. Doch die beiden sind seit einigen Wochen sehr beschäftigt, da sie auf der Suche nach der Verwirklichung ihres eigenen «Café Traumes» sind. Sicherlich kein leichtes Unterfangen. Denn erstens sind die Immobilienpreise exorbitant gestiegen und zweitens gibt es in Seoul schon Tausende von Cafés. Doch heute ist mein Glückstag. Curtis hat mich gerade eben angerufen und mir erzählt, dass er sich auf der Baustelle befinde. Er und Gina hätten kurz Zeit für ein Interview.
Curtis und Gina sind ein junges, koreanische Ehepaar. In Wirklichkeit heissen sie 이병민 Byoung-min LEE und 김진아 Gina KIM. Es ist bei den Koreanern jedoch keine Seltenheit, dass sich viele einen englischen Vornamen aneignen. Damit ist es für Westliche einfacher, ihre Namen auszusprechen. Gina hat einen Abschluss in Grafik Design und Englisch. Ihr Mann Curtis ist ebenfalls Grafik-designer. Beide leben und arbeiten in Seoul. Sie sind erst vor kurzem nach einem 5-jährigen Neuseeland Aufenthalt wieder zurück in Südkorea zurückgekehrt.
Curtis, warum gerade Neuseeland?
Es gab zwei Gründe. Auf der einen Seite wollte ich einmal in meinem Leben das grösste Säugetier, den Wal, in freier Natur erleben. Und, da ist noch mein Bruder, der schon einige Jahre in Neuseeland lebt und uns immer wieder von diesem Land vorschwärmte.
Wir wollten ein neues Leben starten, fernab von Hektik
Curtis LEE
Und dann bleibt man einfach mal so für fünf Jahre?
Das war anfänglich nicht so geplant. Dass wir auswandern wollten, war für uns schon immer ein Traum. Wir wollten ein neues Leben starten, fernab von der Hektik Seouls. Neuseeland – so dachten wir – ist für uns das perfekte Land.
Und war das so?
Wir hatten uns in Neuseeland gut eingelebt, viele Freundschaften geschlossen. Ich arbeitete als Grafikdesigner, Gina hat ab und zu in einem Café ausgeholfen. Doch eines Tages bekamen wir die Nachricht, mein Vater sei ernsthaft erkrankt. Ohne zu zögern entschieden wir uns, nach Südkorea zurückzukehren, um in der Nähe meines Vaters und meiner Familie zu sein.
Nach fünf Jahren wieder zurück in Korea. Vermisst ihr Neuseeland?
Das Land hat uns sehr geprägt. Deshalb ist ein wenig Heimweh normal. Ich erinnere mich gut, dass Gina mich eines Tages mit einem traditionellen Gebäck, dem Lamington überraschte. Während unserer Zeit in Neuseeland hat Gina oft mit ihrer Hausmutter gebacken und sich auf diesem Gebiet weitergebildet und spezialisiert.
Und das stand es nun auf dem Tisch, das würfelartige, luftige Gebäck, ein Kokostraum im Schokoladenmantel. Schon beim ersten Bissen schloss ich meine Augen und fühlte mich nach Neuseeland versetzt. Doch das Überraschendste war, dieser Lamington war perfekt, fast noch besser als das Original. Ich war begeistert und wir fragten uns, wie wohl andere mit Gina’s Lamington begeistern könnten
Wie war das Feedback?
Alle waren begeistert und motivierten uns, ein Business zu starten und Backwaren zu verkaufen. Anfänglich verkauften wir unsere Produkte in einer kleinen Stückzahl an diversen Flohmärkten. Wir analysierten den Markt analysiert und bekamen viele positive Rückmeldungen der Kunden. Nicht nur vom Gebäck waren sie begeistert, sondern sie schätzen auch unsere unsere freundliche und offene Lebensart.
Eines Tages als wir auf dem Weg zu unserem Marktstand waren, bemerkten wir eine lange Menschenschlange. Die Freude war gross, als wir realisierten, dass die Leute schon vor der Eröffnung auf unsere Backwaren warteten. Wir stellten die Backwaren auf unseren kleinen Tisch und bereits nach einer halben Stunde war unser gesamter Vorrat leergekauft. Einige Kunden gingen sogar leer aus.
Habt ihr dann einen eigenen Laden eröffnet?
Wir wollten, aber zu diesem Zeitpunkt war dies für uns ein total neues Gebiet. Wir kommen ja beide nicht aus dem Lebensmittelbranche und es fehlte uns die nötige Infrastruktur. Über Freunde und Bekannte wurden wir dann an ein Unternehmen in Seoul weitervermittelt, welches uns einen Platz zum Verkauf unserer Produkte zur Verfügung stellte. Sie betrieben das Café und wir backten die Süssigkeiten. Eine Win-Win-Situation für uns und für sie. Das war der Start für unser neues Business.
Und dies ist auch der Ort, an dem ich euch kennengelernt habe. Ihr seid aber nicht mehr dort, warum?
Obwohl dies für den Anfang super war, blieben wir In diesem Businessmodel «nur» die Bäcker. Unser Traum war jedoch ein eigenes, kleines Café mit eigener Backstube. Und so entschieden wir uns, unseren Traum zu realisieren.
Das ist wohl nicht gerade einfach? Es gibt ja schon sehr viele Cafés in Seou?
Ja, das stimmt. Doch wir planten, nicht nur Kaffee und Kuchen zu verkaufen. Wir hatten die Idee, auch die Kultur von Neuseeland den Gästen zu vermitteln. All das, was wir in Neuseeland erlebt haben, wollten wir unseren Gästen weitergeben und zwar an einem Ort, wo der Mensch im Mittelpunkt steht, Freundlichkeit kein Fremdwort ist und sich der Kunde wohlfühlt?
Habt ihr einen solchen Ort gefunden?
Die beiden lächen und sagen einstimmig ja. Sie haben den richtigen Ort gefunden. Das Café ist zwar nicht riesig und muss noch umgebaut werden, aber es hat viel Charme. Wenn alles gut geht, können wir in etwa 14 Tagen die Albert Park Bakery eröffnen. Doch bis dahin gibt es noch sehr viel zu tun. Sie freuen sich aber jetzt schon darauf, im «Albert Park» ihren Vater als den ersten Gast zu begrüssen.