Jeju, ein Ort an dem Frauenpower Tradition hat!

Die Journalistin Myung Sook Suh 서 명숙 konnte einige Nationen zum Wandern begeistern. Ein grosser Traum bleibt ihr bis heute jedoch noch unerfüllt.

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Inzwischen habe ich schon einige Male die Insel Jeju besucht und erkundet. Und immer noch hat dieser Ort für mich etwas Geheimnisvolles. Ob es daran liegt, dass Jeju eine Vulkaninsel ist? Oder hat es damit zu tun, dass die Frauen auf dieser Insel seit Generationen eine wichtige und zentrale Rolle spielen?

Mit einer Frau, die richtig viel Power hat durfte ich mich letzte Woche unterhalten. Myung Sook Suh 서 명숙, lebt und arbeitet auf Jeju und ist Gründerin der Olle Trail und Olle Foundation

Frau Suh, was heisst eigentlich „Olle“?

„Olle“ ist ein altes, koreanisches Wort, welches vorwiegend im Jeju-Dialekt gebraucht wird. Es umschreibt einen schmalen Zufahrtsweg, welcher von der Hauptstrasse bis zum Eingangstor eines Hauses führt. „Olle“ soll aber auch das Tor zur Welt für die Einwohner von Jeju bedeuten. Die Olle Trails sind gut organisierte Wanderwege entlang der Küste Jeju‘s. 425km Wanderwege laden Naturgeniesser auf 26 unterschiedlichen Routen zum Wandern ein.

Diese Art von Bewegung hat mich von Anfang fasziniert, ich konnte mich mental von meiner Arbeit loslösen und neue Energie auftanken. Dies war der Schlüssel zu meiner Selbstfindung und der Anfang des Olle Trail.

Myung sook Suh 서 명숙, Gründerin der Olle Trail und Olle Foundation

Wie sind sie auf die Idee gekommen, Jeju Olle zu gründen?

Ich bin in Jeju geboren und verbrachte dort meine Kindheit. Obwohl Jeju meine Heimat ist, war mir die Insel dazumal nie wirklich vertraut. In jungen Jahren war mir Jeju zu eng. Ich wollte die grosse, weite Welt erkunden. So kam es, dass ich nach Seoul ging und an der Korea Universität Journalismus studierte.

Damals war es für mich als Frau eine sehr schwierige Zeit. Als eine der ersten weiblichen Journalisten, welche in Korea über politische Themen recherchierte und berichtete, wurde meine Arbeit immer anspruchsvoller und forderte meine ganze Aufmerksamkeit. Meine kritischen Berichterstattungen über bekannte Unternehmen und Politiker waren nicht bei allen Leserinnen und Lesern beliebt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es zum Teil sehr aggressive Rückmeldungen gab. Der Verlag, bei dem ich damals arbeitete, wurde mehrmals vor Gericht gezogen. Als ich schlimme Drohungen erhielt, belastete dies auch meine Gesundheit. Immer mehr hatte ich gesundheitliche Beschwerden, fühlte mich ausgelaugt und krank.

Als ich meinen Hausarzt aufsuchte und mich untersuchen liess, konnte man bei mir keine Krankheit feststellen. Ich liess nicht locker und habe mich in einem grösseren Krankhaus von Kopf bis Fuss untersuchen lassen. Doch auch im Krankenhaus konnte man nichts finden. Beim abschliessenden Gespräch mit dem behandelnden Arzt meinte dieser: “Liebe Frau Suh, damit sie sich wieder besser fühlen, gibt es in ihrem Fall genau drei Möglichkeiten. Sie vermeiden per sofort jeglichen Stress, reduzieren das Arbeitspensum oder beginnen intensiv mit sportlichen Aktivitäten.“

Auf diesem Wanderweg kann man sich vom Alltagsstress befreien und neue Energie auftanken. |  Courtesy of Jeju Olle Trail

Ich habe mich für die letzte der drei Varianten, die sportlichen Aktivitäten entschieden. Doch wie sollte das funktionieren? Seit meiner Kindheit hatte ich mich nicht mehr sportlich betätigt. Und so kam es, dass ich viele Sportarten ausprobierte. Ich kaufte mir ein teures Fitness Abonnement, besuchte nach der Arbeit Aerobic- und Yogastunden und versuchte es mit Schwimmen. Doch keine dieser Sportarten haben mich begeistert und ich bemerkte keine Verbesserung meines Gesundheitszustandes. Ich wollte schon aufgeben, da bemerkte ich, dass ich eine Disziplin auf meiner Liste noch nicht ausprobiert habe, das „Laufen“. Eine sehr einfache und unkomplizierte Sportart. Man braucht kein teures Abo, kann zu jeder Tages- und Nachtzeit laufen und man ist unabhängig. Und schon bei den ersten kurzen Touren, welche ich gelaufen bin, fühlte ich mich sehr wohl. Diese Art von Bewegung hat mich von Anfang fasziniert, ich konnte mich mental von meiner Arbeit loslösen und neue Energie auftanken. Dies war der Schlüssel zu meiner Selbstfindung und der Anfang des Olle Trail.

In Jeju mussten wir erst einmal die Einheimischen von der Idee überzeugen.

Myung sook Suh 서 명숙, Gründerin der Olle Trail und Olle Foundation

Dann wurde Olle geboren?

Die Idee zu Olle Trail kam mir bei einer interessanten Begegnung in Spanien. Im Alter von fünfzig Jahren und als „Laufsüchtige“, bin ich nur für ein Ziel nach Frankreich geflogen. Ich wollte die 800 Kilometer des Jakobweges ablaufen. Während meiner Wanderung auf dem Jakobsweg, konnte ich viele interessante Erfahrungen sammeln und habe nette Menschen kennengelernt. Eines Tages, genauer gesagt am 20. Tag meines Vorhabens, musste ich oft an meine alte Heimat Jeju denken. Wie schön doch diese Insel ist. Mussten wirklich 30 Jahre vergehen, bis ich auf dem Jakobsweg realisierte, wie sehr ich meine alte Heimat vermisste? Ich stellte mir vor, wie erholsam auch ein Walking Trail auf Jeju sein könnte. Und so kam mir die Idee mit dem Olle Trail auf Jeju.

Am Morgen des 32. Tages meiner „grossen Wanderung“, habe ich Henny, eine Engländerin aus London, kennengelernt. Zusammen sind wir einige Stunden gemeinsam gewandert und haben viel diskutiert. Ich habe Henny von meiner Idee eines Walking Trails auf Jeju erzählt. Sie schmunzelte und meinte, sie habe eine ähnliche Idee für einen Walking Trail in England. Zudem war sie überzeugt, dass gerade in Korea die Idee eines Walking Trails oder „Entschleunigung Trails“ ein grosser Erfolg sein könnte. Henny war schon zweimal beruflich in Korea und bemerkte schnell, dass die Koreanerinnen und Koreaner hart arbeiten und sehr beschäftigt sind. Sie meinte auch, dass die Kultur eines „Happy Green Hospital“ den Koreanerinnen und Koreanern sehr wohlbekommen würde. Es brauche nicht immer ein modernes Krankenhaus, um die Menschen gesund zu machen. Und überhaupt, oftmals liegt das Gute so nahe.

Nach einem gemeinsamen Lunch haben sich unsere Wege wieder getrennt. Ich habe bis heute leider nichts mehr von Henny gehört. Ob auch sie ihre Idee eines Walking Trails in England in die Tat umsetzen konnte?

Olle Trail mit traumhafter Aussicht. |  Courtesy of Jeju Olle Trail

Was war die grösste Herausforderung?

Um diese Idee umzusetzen, bin ich von Seoul nach Jeju umgezogen. Gleichzeitig konnte ich zwei Freundinnen, ebenfalls Journalistinnen von meinem Projekt überzeugen. Sie beide haben ihre Jobs in Seoul gekündigt und sind mit mir in ein Haus in Jeju gezogen. Dort haben wir gut zwei Jahre ohne Einkommen gelebt und gearbeitet und unsere Zeit dem Projekt Olle gewidmet. In Jeju mussten wir erst einmal die Einheimischen von der Idee überzeugen. Dies war wohl eine der grössten Herausforderungen. Von Seiten der lokalen Behörden gab es zu diesem Zeitpunkt keine hilfreiche Unterstützung.

Wie sind die einzelnen Routen und Wege entstanden?

Ich selbst war für die Planung der einzelnen Trails nicht die richtige Person, da ich – obwohl hier aufgewachsen – meine Insel nicht wirklich gut kannte. Grosse Unterstützung habe ich von meinem zwei Jahre jüngeren Bruder erhalten. In seiner Vergangenheit war er ein Abenteurer, welcher auf Jeju so oft bewanderte, dass er jeden Stein und Winkel kennt. und Zusammen mit ein paar guten Freunde war er mir bei der Ausarbeitung der Olle Trails eine sehr grosse Hilfe. Geplant waren ursprünglich nur drei oder vier Trails. Doch der Olle Trail wurde nach kurzer Zeit so beliebt und berühmt, dass er auf 26 Trails angewachsen ist.

Blaues Pony: Wegweiser und «Stempelstation» auf den Olle Trails.  | Courtesy of Jeju Olle Trail

Welches ist ihr Lieblingstrail?

Der Trail, auf dem ich heute gelaufen bin (lacht)

Was planen Sie als nächstes, neue Idee und haben Sie Träume?

Einiger meiner Ideen und Träume konnte ich bereits umsetzen. Ich haben den Jeju Olle Trail gegründet und ein Olle Festival ins Leben gerufen. Im August dieses Jahres reise ich nach Spanien, um einen neuen Friendship Trail mit der Organisation des St. Jakobsweg zu eröffnen. Dies hätte ich mir nie träumen lassen und ist für mich eine grosse Ehre. Zudem planen wir ein Projekt, welches für Kinder und Jugendliche, welche vom Weg abgekommen sind, ein besseres Leben ermöglichen. Da auch einer meiner Brüder in seiner Jugend mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, liegt mir dieses Projekt besonders am Herzen.

Gibt es einen Weg, welchen Sie unbedingt noch laufen möchten?

Einen Traum habe ich noch. Ich bin mit drei weiteren Geschwistern in Jeju aufgewachsen. Mein Vater kommt aus dem nördlichsten Teil von Nordkorea, meine Mutter aus dem südlichsten Teil aus Südkorea. Zu Hause hatten meinen Eltern einen Supermarkt. Meine Mutter wollte zu dieser Zeit immer in Jeju ein Haus kaufen. Mein Vater war dagegen. Er meinte, dass nach dem Korea Krieg der Tag kommen werde, an dem es wieder ein vereintes Korea geben wird. Dann wolle er mit der ganzen Familie nach Nordkorea zurück und dort ein Haus bauen. Leider konnte mein Vater diesen Traum nicht mehr verwirklichen. Sollte eines Tages sich Südkorea mit Nordkorea wieder vereinen und die Grenzen öffnen, werde ich vermutlich eine der ersten sein, welche vom südlichsten Teil Koreas in den nördlichsten Teil laufen wird. So ich könnte wenigstens einen Teil des Traums meines Vaters verwirklichen.

Daniel Thomas Faller

SEOUL | Korea

Daniel ist der Gründer des Schauplatz Korea Magazins, Chefredakteur und kreativer Leiter. Er ist gebürtiger Schweizer und Korea-Liebhaber, der in Seoul lebt. Daniel interessiert sich für die Geschichten und Projekte von Menschen und hat eine Leidenschaft für visuelle Kunst und Fotografie. Gerne lässt er sich von Makgeolli verführen...

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