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Viele Ladenbesitzer auf dem Lande kämpfen ums Überleben. Die koreanische Fotografin Jeeyoun Kim 김지연 dokumentiert in einem ihrer Projekte ein zeitgenössisches Dilema.

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Vor einiger Zeit habe ich in meinem Lieblingsfotobuch Laden in Seoul zwei interessante Fotobücher entdeckt. Die Künstlerin gibt in einem der zwei Fotobücher dem alltäglichen Leben koreanischer Ladenbesitzer ein Gesicht. Die Besitzerin des Fotobuch Laden hat mich darauf angesprochen und meinte, es wäre eine sehr interessante Fotografin. Ich wollte mehr über diese Frau, ihre Motivation und Inspirationen erfahren.

Dieses Wochenende bin ich nun nach Jeonju gereist und habe mich mit Jeeyoun Kim 김지연, (73) getroffen. Sie ist professionelle Fotografin, leitet die Seohakdong Photogallery und schreibt seit ein paar Jahren in der Kyunghyang Shinmun Zeitung 경향신문 eine Kolumne, in welcher sie unter anderem auch über koreanische Fotografen berichtet.

Frau Kim, wie ich aus ihrer Biografie entnehme, haben sie die Fotografie erst im Alter von 5o Jahren entdeckt?

Ich habe wohl nicht den typischen Weg einer Fotografen Karriere gewählt. Kunst war für mich schon immer ein Thema. Es war mir in meinen jungen Jahren jedoch nicht möglich, mich intensiv dieser Leidenschaft zu widmen. Ich habe mich zu dieser Zeit um die Familie gekümmert und drei Kinder grossgezogen. Mit dem professionellen Fotografieren begann ich jedoch erst im Alter von fünfzig Jahren.

Was war die grösste Herausforderung und wie hat ihr Umfeld reagiert, als sie sich erst spät für die Fotografie entschieden haben?

Die grösste Herausforderung war, dass ich mich für die Fotografie entschieden habe! Zu Beginn dachte ich oft, dass es unmöglich ist, professioneller Fotograf zu werden. Ich wollte einfach das machen, was ich machen musste. Den Kommentaren meines erweiterten Umfeldes schenkte ich weniger.

Auf welche Bereiche der Fotografie haben sie sich fokussiert?

Für mich war von Anfang klar, dass ich mich nicht der klassischen „Mainstream Fotografie“ widmen wollte. Mich interessieren vor allem die Umgebung, in der ich lebe, ihre Menschen und die Umwelt. Ich dokumentiere gerne und halte dies dann in meinen Bildern fest.

Sie fotografieren bewusst ihre Umwelt. Wie finden sie ihre Themen?

Viele Ideen schöpfe ich aus meinen Erinnerungen. Da sind zum Beispiel die gemeinsamen Besuche mit meinem Grossvater beim Coiffeur. Daraus entstand dann das Projekt „Barbourshops“, bei welchem ich viele dieses Barbourshops in Korea besuchte, fotografierte und dokumentierte. Oder das Project „Modern Stores“, welches aus Kindheitserinnerungen besteht, als ich oft mit meiner Grossmutter einkaufen gegangen bin.

Modern Stores, 2010 | © by Photographer Jeeyoun Kim

Was wollen sie mit dem Projekt Modern Stores aussagen?

In all meinen Projekten will ich die Umgebung in meinem Umfeld mit meiner Bildsprache ausdrücken. Beim Projekt Modern Stores zeige ich die Orte auf wo der Handel im ländlichen Korea stattfindet. Zu dieser Zeit – die Aufnahmen wurden zwischen 2008 und 2010 gemacht – waren dies moderne Geschäfte. Die Aufnahmen zeigen nicht nur die Geschäfte von aussen, aber auch von innen und geben dadurch dem Betrachter Einblicke in welche Artikel jeweils verkauft werden und wie Farben und Design miteinander harmonieren können. Und es ist wie bei all meinen Projekten eine Momentaufnahme meiner Umgebung.

Und beim Projekt The Self-employed?

Beim The Self-employed Projekt will ich dem alltäglichen, fast vergessenem ein Gesicht respektive ein Bild geben. Die Ladenbesitzer sind für viele etwas ganz Normales, nichts Spektakuläres. Es sind Menschen in unserer Gesellschaft, welche es oftmals nicht leicht im Leben haben. Vor allem auf dem Lande. Hinzu kommt, dass viele Geschäfte ums Überleben kämpfen oder schliessen mussten.

The Self-employed, 2016 | © by Photographer Jeeyoun Kim
The Self-employed, 2016 | © by Photographer Jeeyoun Kim
The Self-employed, 2016 | © by Photographer Jeeyoun Kim
The Self-employed, 2016 | © by Photographer Jeeyoun Kim

Bei vielen der Bilder kommen Emotionen stark zum Ausdruck. Man erkennt in den Gesichtern Stolz aber auch Sorgen. Wie sind sie dabei vorgegangen?

Einige der Ladenbesitzer, vor allem diejenigen aus Jeonju kannte ich persönlich. Andere wiederum wurden mir durch Freunde weiterempfohlen. Ich brauchte jedoch Geduld und Zeit, um mit diesen Menschen eine Beziehung auszubauen. Bei meinen Besuchen traf ich oftmals nur auf eine Person. Da ich aber mindestens zwei Personen auf dem Bild festhalten wollte, musste ich die Ladenbesitzer mehrmals besuchen. Bei diesem Projekt habe ich sehr viele Gespräche und Interviews geführt, welche ich auch in einem Video festgehalten habe.

Bei vielen meiner Anfragen hatte ich jedoch wenig Glück. Die Menschen wollten sich nicht fotografieren lassen. Für sie hatte diese Art von Fotografie und Dokumentation keine Bedeutung.

Jeeyoun Kim 김지연

Sie haben mit vielen Ladenbesitzern gesprochen. Was hat sie bei diesen Gesprächen am meisten berührt?

Bei vielen Ladenbesitzern habe ich einfach nur Bilder gemacht. Es gab jedoch auch Menschen, welche sich dank meines Projekts begannen, ihre eigene Geschichte genauer zu studieren. Bei einem der Ladenbesitzer (Modern Video Society) gab es jedoch so interessante Gespräche, dass ich am Ende ein Buch über dieses Geschäft und deren Besitzerfamilie geschrieben habe.

Warum sollten mindestens zwei Personen auf ein Bild?

Bei meinen Fotografien will ich nicht nur eine gegenständliche Momentaufnahme zeigen, aber auch die Beziehung zwischen Ladenbesitzer und Angestellten oder das Verhältnis der verschiedenen Generationen. Die Integration des Menschlichen in die Momentaufnahme ist mir sehr wichtig.

Interview The Self-employed, 2016 | © by Photographer Jeeyoun Kim

Sie stellen ihre Bilder fast ausschließlich in Seoul aus. Warum?

Am Anfang versuchte ich, meine Bilder in Jeonju auszustellen. Ich stellte jedoch sehr schnell fest, dass die Leute wenig interessiert waren an den Bildern. Für sie waren die Bilder nicht spezielles, zu alltäglich. Darum habe ich mich entschlossen meine Bilder in Seoul auszustellen. Dort hingegen war das Interesse an meinen Bildern gross. Die Menschen in Seoul sind multikultureller und meiner Meinung nach offener für diese Art von Fotografie.

Was sind ihre nächsten Projekte?

Ein Projekt über meine Kindheitserinnerungen mit meiner Grossmutter. Sie ist die wichtigste Person in meinem Leben. Dabei fotografierte ich vieles rund um den Yeongsan-gang Fluss, einer der vier wichtigsten Flüsse in Korea. Er fliest unter anderem auch durch Gwangju. Ein Ort, wo ich mit meiner Grossmutter viele gemeinsame Erlebnisse teilen durfte. Der Yeongsan-gang ist heutzutage aber leider immer noch sehr unbekannt.

Jeeyoun Kim 김지연 ist 1948 in Gwangju geboren. Zur Fotografie hat sie im Alter von 50 Jahren gefunden. Ihre Bilder stellt sie regelmässig in Korea aus. Jeeyoun Kim hat mehrere Fotobücher herausgebracht und schreibt seit einiger Zeit regelmässig eine Kolumne in der Kyunghyang Shinmun Zeitung 경향신문. Sie ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder, lebt und arbeitet in Jeonju.

Daniel Thomas Faller

SEOUL | Korea

Daniel ist der Gründer des Schauplatz Korea Magazins, Chefredakteur und kreativer Leiter. Er ist gebürtiger Schweizer und Korea-Liebhaber, der in Seoul lebt. Daniel interessiert sich für die Geschichten und Projekte von Menschen und hat eine Leidenschaft für visuelle Kunst und Fotografie. Gerne lässt er sich von Makgeolli verführen...

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