DMZ

Demilitarisierte Zone – die letzte Konfrontationslinie des Kalten Krieges.

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Südkorea ist eine Insel! Geographisch-topografisch ist dies eine falsche Aussage, zumal die koreanische Halbinsel im äussersten Osten Teil der euroasiatischen Landmasse ist. Politisch und praktisch ist die Aussage seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges dennoch richtig. Wer nach Südkorea reist, kann dies nur zu Wasser oder aus der Luft, nicht aber zu Lande tun. Grund dafür ist die Teilung der Halbinsel, welche formal am 15. September 1945 vollzogen worden ist. Wie ist es dazu gekommen?

Nach einer de-facto Übernahme 1905 annektierte Japan das Königreich Korea 1910 formell und löste die seit 1392 regierende Jeoson-Dynastie auf. Korea wurde wie Taiwan eine Kolonie des japanischen Kaiserreichs, was es bis am 15. August 1945 (Kapitulation Japans am Ende des Zweiten Weltkrieges) blieb. Die Kapitulation der in Korea verhassten Besatzungsmacht führte aber nicht zur Befreiung und Wiederherstellung der territorialen Integrität, sondern zur Teilung, die bis heute anhält und damit Korea zum einzig noch geteilten Land des Planeten macht. Diese Teilung lag nicht in der Absicht der kriegführenden Alliierten USA und Sowjetunion, sondern ergab sich in gleicher Weise wie im Nachkriegseuropa mit seinen Besatzungszonen der ehemaligen Gebiete des Dritten Reichs. Korea wurde dabei als Teil des japanischen Reichs betrachtet, zumal in Korea nicht auf eigenständige staatliche Strukturen zurückgegriffen werden konnte.

Basierend auf einem in Washington hastig erarbeiteten und anschliessend von Stalin akzeptierten Vorschlag wurde der 38. Breitengrad als Trennlinie der beiden Treuhandgebiete oder Besatzungszonen festgelegt und ab dem 15. September 1945 auch strikte umgesetzt. Nachdem sowohl die USA wie auch die Sowjetunion in ihren jeweiligen Zonen treu ergebene Führungsfiguren einführten (Syngman Rhee aus den USA in den Süden und Kim Il Sung aus der Sowjetunion in den Norden), zogen sich beide Besatzungsmächte relativ rasch mit dem Gros der Verbände ab, zumal Korea für beide nicht von hoher Wichtigkeit war. Die Fortsetzung der Geschichte ist weitgehend bekannt und kulminierte am 25. Juni 1950 im massiven militärischen Angriff des Nordens, nachhaltig aufgerüstet und ausgebildet durch die Sowjetunion, im Koreakrieg.

Zentraler Teil der DMZ. Gut erkennbar sind zwei ROK GP/OP (Wachposten/Beobachtungsposten). | Photographer Daniel Thomas Faller
Einer von vielen Beobachtungsposten entlang des Han Rivers in Richtung Han River Estuary. | Photographer Daniel Thomas Faller

Nach zähen Verhandlungen über zwei Jahre wurde am 27. Juli 1953 in Panmunjeom, dem Verhandlungsort, ein militärischer Waffenstillstand unterzeichnet. Dieser sah vor, den gegenseitig anerkannten Frontverlauf an diesem Tag als Militärische Demarkationslinie (MDL) zu bezeichnen und mit Markierungen im Gelände festzulegen. Zu diesem Zweck wurden auf den 241 Kilometern zwischen der West- und der Ostküste 1’292 Marker mit Warntafeln auf beiden Seiten gesetzt. Diese Markierungen sind bis heute die einzigen Hinweise auf den Verlauf der Trennlinie zwischen den beiden Koreas.

Ein MDL Marker, welcher am nächsten zum NNSC Camp liegt. | Photographer Daniel Thomas Faller
Ein Bild von der jährlichen Gedenkfeier für Cpl Jang, dem ROK NCO, der beim Feuergefecht im November 1984 in der JSA getötet wurde. Anlass war die Defection eines UdSSR Bürgers in den Südteil der JSA. | Photographer Daniel Thomas Faller

Innerhalb von 72 Stunden nach Vertragsabschluss (10:00 Uhr Ortszeit) hatten beide Seiten sämtliche Truppen mindestens 2’000m in direkter Linie zur MDL zurückzuziehen. Dies ist auch reibungslos umgesetzt worden, allerdings nicht ohne gleichzeitig das aufgegebene Territorium kräftig zu verminen, um dem Gegner eine allfällige Inbesitznahme zu verunmöglichen. Damit war die bis heute gültige und auch gut sichtbare entmilitarisierte Zone (De-Militarized Zone DMZ) geschaffen. Als einziger Zugang und Begegnungsort verblieb Panmunjom, wo sich die dort berechtigten Personen in der Joint Security Area (ca. 1km2) von beiden Seiten bis zum gravierenden Zwischenfall vom August 1976 frei bewegen konnten. Damit ist ein Landstreifen von rund 1’000km2 (241 km breit und 2x2km tief) geschaffen worden, der theoretisch bis heute unberührt sein sollte. Aufgrund von Satellitenaufnahmen geht man heute aber davon aus, dass «nur» noch rund 650km2 unberührt sind, der Rest ist durch die ab den 1970-Jahren einsetzende «Re-Militarisierung» der DMZ wieder begehbar, allerdings stets unter mehr oder weniger akuter Minengefahr.

Nach Umsetzung des Rückzugs beider Seiten Ende Juli 1953 war gemäss dem Abkommen vorgesehen, dass sich je maximal 1’000 mit Handfeuerwaffen ausgerüstete Polizisten zu Überwachungs- und Schutzzwecken in der DMZ aufhalten sollten. Wenige Tage später entschied die gemeinsame Waffenstillstandskommission MAC, dass dies auch Personal der Militärpolizei ausführen darf, allerdings gekennzeichnet mit einem schwarzen (Nordseite rotes) Armband. Auf der Südseite ist das heute noch so, allerdings befinden sich heute wesentlich mehr sogenannte Militärpolizisten, welche reguläre Angehörige von südkoreanischen Infanteriedivisionen sind, in der DMZ. Vergleichbares gilt für die Nordseite.

PMJ Delegation North Verhandlungsdelegation der DPRK überschreitet die MDL zwischen T1 und T2. Vor 2018 war das sehr selten. | Photographer Daniel Thomas Faller
Blick von Check Point 3 auf die Bridge of No Return. Im Hintergrund links das nordkoreanische Dorf in der DMZ mit dem höchsten Flaggenturm der Welt, Kijong-dong. Hinter dem Dorf erkennt man den Kaesong Industrial Complex. | Photographer Daniel Thomas Faller

Diese ersten Schritte der «Re-Militarisierung» haben dann in den 1970er Jahren zusätzlichen Auftrieb erhalten, indem beide Seiten befestigte und bewaffnete Wacht- und Beobachtungstürme auch innerhalb der DMZ errichtet und betrieben haben. Während es auf der Südseite weit über 100 Installationen sind, dürfte sich die Zahl auf der Nordseite im doppelten Bereich bewegen. Zudem wurden als jeweilige «Gegenmassnahmen» immer feuerkräftigere Waffensysteme eingeführt, die weit über die zugelassenen Handfeuerwaffen hinausgehen. Damit entwickelte sich die Entmilitarisierte Zone» über die Zeit bis heute zur «höchst-militarisierten entmilitarisierten Zone des Planeten». Hierzu sind natürlich auch die grossen militärischen Potenziale beider Seiten in Rechnung zu stellen, welche sich unmittelbar ausserhalb der DMZ befinden und je nach Spannungsniveau in einer sehr hohen Einsatzbereitschaft gehalten werden.

Gerade auch in jüngster Zeit beklagen sich viele Südkoreaner bis hinein in staatliche Institutionen, dass ihnen der Zutritt in die DMZ verwehrt bleibt oder nur mit Bewilligung des amerikanisch geführten United Nations Command UNC möglich ist. Die DMZ ist gemäss dem Waffenstillstandsabkommen auf der Südseite «Hoheitsgebiet» des UNC, obschon geographisch Teil der Republik Korea. Gerade auch für südkoreanische Politiker ist das oft nur schwer zu verstehen und nachzuvollziehen. «Normalbürgern» jeglicher Herkunft wird der Zutritt zur DMZ aber eigentlich schon ab der koreanisch kontrollierten zivilen Kontrolllinie verwehrt, welche sich je nach Terrain etwa 5 bis 10 km südlich der DMZ dahinzieht und bis zur DMZ das militärische Sperrgebiet markiert.

Reis wird in der DMZ ausschliesslich durch die Bauern des DMZ-Dorfes Taesong-dong angebaut. Gilt in Südkorea als Rarität und ist entsprechend teuer. Im Hintergrund erkennt man den gemeinsam geführten US-ROK Beobachtungsposten OP Oulette. | Photographer Daniel Thomas Faller

Urs Gerber

Urs ist Präsident einer Stiftung, die die Sammlung des historischen Materials der Schweizer Armee bewirtschaftet. Seit er als Leiter der Schweizer NNSC-Delegation in Panmunjom tätig war, interessiert er sich sehr für die koreanische Politik, Geschichte und Kultur. Er freut sich darauf, nach Aufhebung der Covid-19-Reisebeschränkungen in der Innenstadt von Seoul einen Bibimpap mit heißem Stein zu probieren...

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