Wo befindet sich der gefährlichste Golfplatz der Welt? Laut «Sports Illustrated» soll sich der risikoreichste Golfkurs in der Demilitarisierten Zone (DMZ) befinden. Genauer gesagt an dem Punkt, wo die Demarkationslinie (MDL) Nord- und Südkorea voneinander trennt. Dies liegt daran – so erklärt es mir Leutnant Commander Daniel McShane, Offizier des US-Militärs – dass der Golfplatz von drei Seiten mit Minenfeldern umgeben ist. McShane lebte und arbeitete etwas mehr als acht Jahre lang in der DMZ und lieferte Expertenwissen für die Kommunikationsbemühungen zwischen Nord- und Südkorea. Als gelernter Pilot verbrachte er seine letzte Zeit in der DMZ als Joint Duty Officer. Während dieser Zeit hat er eine Sammlung von fesselnden Geschichten zusammengetragen. Wir haben McShane interviewt, um zu erfahren, wie das Leben in einer der prekärsten Zone dieser Welt aussieht.
Wie verlief ein typischer Tag für Sie?
Unser Job war es, die Kommunikation sicherzustellen. Wir betreuten die Joint Security Area (JSA), die nur etwa 800 Quadratmeter groß ist. Die Hälfte davon liegt in Nordkorea. Mein Team hatte einen Mitarbeiterstab von sieben Personen, aber waren wir personell unterbesetzt. Es war 24/7-Job. Unser kleines Team betreute das Joint Duty Office (JDO), das Büro, welches am nächsten zur Grenze Nordkoreas liegt. Wir hatten ein Telefon, mit dem wir die nordkoreanische Volksarmee (KPA) zweimal am Tag anrufen konnten, um Nachrichten zu übermitteln. Doch seit etwa fünf Jahren haben die KPA auf die Telefonanrufe nicht mehr reagiert und geantwortet. Daher mussten wir jeweils bis zur Militärischen Demarkationslinie (MDL) gehen und ihnen die Mitteilungen per Lautsprecher übermitteln. Wir standen auf der Südseite, die KPA auf der Nordseite, beide nur etwa 2 Meter voneinander entfernt. Die KPA haben uns gefilmt und die Meldungen mit einer Videokamera aufgenommen. Anschliessend habe ich dann jeweils einen Rundgang durch die Anlagen gemacht. Wenn das Hauptquartier einen VIP Gast empfing, (wir hatten viele berühmte Gäste aus Königshäusern, Politik und Wirtschaft) war unser Team jeweils für die Eskorte verantwortlich. Auch haben wir den Gästen auf einem Rundgang die Entstehungsgeschichte der DMZ und JSA erklärt.
Was haben Sie gemacht, wenn Sie frei hatten?
Wir waren oft wandern. Einer meiner Lieblingsberge war der Bukhansan Mountain, welcher in der Nähe von Seoul liegt. Manchmal sind wir aber auch zum Surfen an die Ostküste gefahren. Gerne gingen wir auch immer wieder mal auswärts zum Abendessen. Oftmals haben wir den Witz gemacht, dass wir eigentlich das beste Restaurant in der DMZ hätten. Der zuständige Chef Koch arbeitete dort schon seit über 30 Jahren. Er bekam sogar die Verdienstmedaille des schwedischen Königs, als dieser zu Besuch kam. Aber es gibt leider nicht wirklich viel Abwechslung in diesem Gebiet. In den Pausen machte ich oft ein Nickerchen oder spielte Gitarre. Manchmal spielte ich mit anderen Musikern, die bei uns stationiert waren. Auch Sport war ein wichtiger Faktor: Wir versuchten uns mit täglichem Training fit zu halten. Wegen des obligatorischen koreanischen Wehrdienstes kamen viele berühmte koreanische Sportler zu uns. Es macht Spaß, sie kennen zu lernen. Aber es war auch sehr anstrengend, gegen sie Basketball zu spielen.
Und oft konnte man in den Medien dann wieder lesen, das Korea auf dem Weg zum Krieg sei.
Leutnant Commander Daniel McShane
Wie würden Sie die Atmosphäre in der JSA beschreiben?
Es herrschte immer eine erhöhte Spannung, an die man sich mit der Zeit jedoch gewöhnt. Obwohl es wahrscheinlich einer der sichersten Orte der Welt ist, ist man immer auf Alarmbereitschaft. Während meiner acht Jahre hat sich die Lage immer wieder verändert. Es gab entspannte Lagen, aber teilweise auch sehr kritische Situationen. Und oft konnte man in den Medien dann wieder lesen, das Korea auf dem Weg zum Krieg sei. Und dann gab es auch den Moment, wo sich 2018 der südkoreanische Präsident Moon Jae-in und der Oberste Führer der Demokratischen Volksrepublik Korea Kim Jong-un in Panmunjeom trafen. Alles war wieder friedlich und die Stimmung war gut…
Haben Sie eine Erinnerung an das Treffen mit dem damaligen Vizepräsidenten Biden?
Fast alle der 80 amerikanischen Soldaten in der JSA formatierten sich in Reih und Glied. . Mein Chef sagte, ich solle unbedingt viele gute Fotos von Vizepräsident Biden machen. Ich hatte also die Kamera dabei und knipste ununterbrochen. Er schüttelte jedem die Hand. Als er auf mich zukam, schüttelte er meine Hand und fragte mich: «How are you»? Und dann machte er ein Foto mit mir.
Wie war es, Katy Perry zu treffen?
Das war einer der besonderen Erlebnisse. Ich habe Katy Perry während 4 Stunden in der DMZ begleitet und eskortiert. Zu dem Zeitpunkt hatte ich eine kaputte Gitarre und Katy hat sie für mich signiert. Die Gitarre hing während meines Einsatzes in meinem Quartier. Eine schöne Erinnerung, welche mich bis heute noch begleitet. Und ich bin mit ihr auf Instagram befreundet, was ich natürlich sehr cool finde. Ab und zu schickt sie mir einen kurzen Eintrag. Sie war sehr charmant.
Was sind Ihre Gedanken zu den Lautsprechern und der Propaganda?
Propaganda ist Propaganda. Es spielt keine Rolle, von welcher Seite her sie kommt. Im Grunde ist es nur Lärm. Es gab bereits 2004 eine Vereinbarung, dass beide Seiten damit aufhören. Nach dem Landminenvorfall im August 2015, der die Spannungen zwischen den beiden Ländern erhöhte, stellte Südkorea wieder Lautsprecher auf. Im Wesentlichen wurden Musik, Reden, News, Wetterberichte oder aufgezeichnete Nachrichten – oft von nordkoreanischen Überläufern anprangerten. Das hat Nordkorea natürlich ziemlich verärgert, so dass sie anfingen, ihre eigenen Lautsprecher aufzustellen. Es ging so weit, dass sie mehr und mehr Lautsprecher aufstellten. Auf der Südseite wurden während vier Stunden am Tag nach Norden gesendet, bis die im Norden so sauer wurden, dass diese während 20 Stunden Botschaften aussendeten. Wir gewöhnten uns allerdings daran und konnten trotz des Lärmes in der Nacht schlafen. Drei Jahre lang lief das so – dann aber wechselte die Beschallung vor dem Gipfel im April 2018 zu traditioneller Musik. Es war immer noch laut, aber im Vergleich zu vorher war es angenehmer. Dann, am Tag nach dem Gipfel, ging ich nach draußen in die JSA. Als ich rauskam, war es ganz still und ich konnte es kaum glauben. Man konnte die Zikaden und die Geräusche der Wildtiere hören.
Haben Sie irgendwelche lustigen Geschichten?
In der Nähe meines Büros war, gab es einen Jindo-Hund. Ich glaube, er gehörte niemandem. Er fing an, in der Nähe des JDO-Büros zu streunen und ich fing an, ihn zu füttern. Er kam immer wieder zurück und mit der Zeit wurde er mutiger und folgte uns ins Gebäude. Wir nannten ihn Bob. Eines Tages spazierte der Hund zwischen den Gebäuden direkt über die MDL. Auf der Seite von Nordkorea war ein großes Gebäude und Bob lief am Wächter vorbei direkt in das Gebäude. Wir witzelten und sagten, der Hund sei ein Spion.
Das war eine tolle Geschichte; haben Sie noch andere?
An dem Tag, an dem Trump kam, mussten die Nordkoreaner sicherstellen, dass alles in Ordnung war. Wir haben dort oben keine Handysignale, es sei denn, die Spionagebehörde schaltet den Mobilfunkturm ein. Und das taten sie auch für dieses Ereignis. Mein Staff Sergeant schickte mir eine SMS: “Sir, ein Nordkoreaner ist gerade durch das Dach gefallen.” Was war passiert?
Oberhalb des JDO-Büros befindet sich ein Wachturm. Im Hinblick auf den Gipfel 2018 beschlossen man, alle Wachposten innerhalb der JSA zu schließen, auch den über meinem Büro. Die Nordkoreaner kamen zu uns hinüber, inspizierten und brachten Schlösser an all unseren Wachposten an. Wir gingen auf ihre Seite und taten dasselbe. Das war wirklich ein Zeichen von Vertrauen. Das Büro, in dem ich war, hatte früher einen Schacht mit einer Leiter, die von der Wachetage ins Büro führte. Dieser Schacht war zuvor versiegelt worden, jedoch nicht sehr umfangreich. Von unten sah es aus wie ein Dach. Von oben sah man einen schweren hölzernen Schachtdeckel über dem Einstiegsschacht. Auf Englisch und Koreanisch stand darauf: Nicht entfernen. Nicht durch den Schacht kriechen! Die inspizierenden Soldaten der KPA gingen also nicht nur in Abwesenheit von uns hinein, weil sie alle Ecken und Winkel überprüfen wollten, sondern entfernten auch den Schachtdeckel. Ein Soldat trat hinein und fiel direkt hindurch. Er stand auf, staubte sich ab und ging wortlos zur Türe hinaus (lacht).
Wie war es, als der ehemalige Präsident Trump zu Besuch kam?
Wir haben, wie übrigens alle anderen auch, 24 Stunden im Voraus über Twitter erfahren, dass er kommen würde. Jeder fing sofort mit den Vorbereitungen an. Mein kleiner Stab verbrauchte die ganze Nacht damit, Nachrichten mit Nordkorea hin und her zu schicken. Es waren bestimmt 40 oder mehr. Und nachdem der Soldat der KPA durch das Dach gefallen ist, haben sich alle wieder beruhigt. Ich stellte sicher, dass der Raum hergerichtet wurde. Als Trump den Raum betrat, waren wir auf einer Galerie und beobachteten von oben das Geschehen. Einer meiner Kollegen vom Sicherheitsbataillon und zwei vom Präsidenten-Sicherheitsdienst des nordkoreanischen Führers kamen zu uns und schauten mit uns zu. Wir saßen einfach da und sahen, wie sich unsere Führer trafen. Sie wissen schon, eine Art surrealer Moment an einem surrealen Tag nach vielen surrealen Ereignissen. Ich war nicht aufgeregt, wir sprachen untereinander kein Wort. Wir alle hatten nur ein Ziel, unseren Auftrag zu erfüllen und nicht zu versagen.
Wie haben Sie sich insgesamt bei Ihrem Dienst in der DMZ gefühlt?
Ich kehre wieder zurück nach Korea. Ich bin glaube ich mittlerweile die Person, die am längsten in der DMZ Dienst geleitet hat. Eine solch lange Einsatzzeit kann ich nicht weiterempfehlen, aber ich habe es geliebt. (lacht)