Mein Leben in Zeiten von Corona #1

Kann man der Corona Krise auch etwas Positives abgewinnen? Wie geht man in Südkorea damit um? Und wie kommt es, dass die Südkoreaner plötzlich länger schlafen?

Warum hat die Bedeutung des Smartphons zugenommen? Auf diese und weitere Fragen habe ich überraschende Antworten gefunden. Die Apothekerin SONG Eun-youg (36) gibt mir in einem Interview spannenden Einsichten über ihr Leben. Sie studierte an der EHWA Womans University in Seoul und arbeitet seit über 12 Jahren auf Ihrem Beruf. 2018 eröffnete Sie ihre erste Apotheke in Yongsan/Seoul. 

Erinnerst Du Dich noch, wie und wann Du das erste Mal etwas von Covid-19 gehört hast?

Ja, daran erinnere ich mich noch sehr gut. Ende 2019 hatte ich auffällig viele Kunden aus China in meiner Apotheke. Sie kauften mir praktischen den gesamten Maskenvorrat leer. Einzelne verlangten bis zu 200 Masken. Dass man in Korea Masken kauft, ist nichts Besonderes, da wir in den Wintermonaten Tage haben, an welchen die Luftqualität wegen des Feinstaubes nicht besonders gut ist. Aber so grosse Mengen – das habe ich zuvor nie erlebt. Obwohl ich mich über das Kaufverhalten wunderte, wusste ich da noch nichts von Corona. Erst einige Tage später konnte man in den Medien mehr und mehr über das Virus aus Wuhan erfahren.

Danach hast Du deinen Maskenvorrat drastisch aufgestockt?

Das sowieso. Nur hatten wir das Problem, dass wir bei unseren Stammlieferanten nicht genügend Masken bestellen konnten. Ich habe aber rasch reagiert und bin auf andere Lieferanten ausgewichen.

Wird wohl leider nie zum Ladenhüter – Die Covid-19 Schutzmasken. | Photographer Daniel Thomas Faller

Wir haben hier in Südkorea ein sehr effizient- und gut organisiertes Gesundheitssystem.

Eun-young Song, Apothekerin

Wie hat sich dann die Situation mit den Masken weiterentwickelt?

Wir haben hier in Südkorea ein sehr effizient- und gut organisiertes Gesundheitssystem. Die Regierung hatte die Lage schnell im Griff und die Kontingentierung der Masken übernommen. Wir als Apotheke konnten an einem zentralen Ort eine uns zugewiesen Anzahl Masken bestellen.

Wie hast Du die Verteilung, den Verkauf der Masken in der ersten Phase erlebt?

Meine Apotheke befindet sich in einem Bürokomplex eines grossen Kosmetik-Konzernes mit vielen Mitarbeitenden. Schon vor der Ladenöffnung am Morgen um 8 Uhr, hat sich eine lange Schlange gebildet. Die Kunden haben allerdings – wie man sich das von Koreanern gewohnt ist – diszipliniert und mit dem erforderlichen Abstand in die Warteschlange geduldet. Wir durften zu diesem Zeitpunkt nur zwei Masken pro Person verkaufen. Dies wurde auch von den Behörden sehr streng kontrolliert. Jeder, der eine Schutzmaske kaufen wollte, musste seine persönliche ID Card vorweisen (jeder Koreaner hat ab dem 17. Altersjahr seine persönliche Identitätskarte).  Die Daten der ID Card müssen wir in einem zentralen System erfassen. So hatte man in von Anfang an eine klare Übersicht , wer wie viele Masken bezogen hatte und wo wie viele Masken im Umlauf resp. verfügbar waren.

Gut fürs Geschäft?

Nicht zwingend. Andere Kunden bleiben aus.

Warum?

Das Verhalten vieler Koreaner hat sich zwangsläufig verändert. Zum einen wurde das Homeoffice verpflichtend angeordnet. Und auch der Lebenswandel hat sich bei vielen geändert. Vor Corona tummelten sich die Menschen am Abend in den Cafe‘s und Bars, oftmals bis in die frühen Morgenstunden. Doch dies wurde durch die Regierung rigoros unterbunden. Für einige Zeit wurden Bars und Cafe‘s ganz geschlossen, seit ein paar Wochen sind diese wieder limitiert geöffnet, am Abend bis 21 Uhr.

Jeder Kunde musste beim Kauf einer Schutzmaske seine persönliche ID Card vorweisen. | Photo by Daniel Thomas Faller

Und was macht man am Abend um 21 Uhr, wenn alles geschlossen hat?

Viele Koreaner sind bis anhin mit 4 bis 5 Stunden Schlaf ausgekommen. Das hat sich mit dieser Regelung für viele komplett geändert. Aus meinem privaten Familien- und Freundeskreis erzählen viele, dass sie viel länger schlafen und somit ausgeruhter sind und gesünder leben. Weniger Erkrankungen sind die Folge und somit automatisch weniger Kunden für uns.

Es wurden zum Teil auch Schulen geschlossen?

Ja, es gab eine Phase, da wurden auch die Schulen geschlossen und auf Online-Unterricht umgestellt. Positiv habe ich empfunden, dass die Regierung den aus ärmeren Verhältnissen stammenden Schülern und Studenten einen Laptop und Mobiltelefone zur Verfügung gestellt haben. Damit will man trotz Covid 19 für alle Schüler gleiche Voraussetzungen schaffen. Denn Bildung ist in Südkorea eines der wichtigsten Güter.

Eines von vielen Covid-19 Testcenter, Soonchunhyang University Hospital Seoul. | Photographer Daniel Thomas Faller

Und wie hat sich Dein Leben verändert?

Meinen Alltag musste ich, wie sicherlich viele andere, umstellen. Ich stehe um 04.30 Uhr auf und beginne den Tag mit einem Work-out zuhause oder draussen, da die Fitnesscenter teilweise noch geschlossen oder nur limitiert geöffnet sind. Nach einer anschliessenden Meditation und einer Tee-Pause, fahre ich zur Arbeit. Um 07.30 Uhr bin ich in der Apotheke. Ich bewege mich zur Zeit, wie viele Koreaner primär nur noch an mir vertrauten Orten. So erkunde ich keine neuen Restaurants oder Take-away‘s, um das Risiko einer Ansteckung zu vermeiden. Und wenn ich am Abend zu Hause angekommen bin, lasse ich mir mein Nachtessen nach Hause liefern, ganz bequem via App. Mein Smartphone ist seither noch ein Stück wichtiger für mich geworden.

Die Koreanischen Kunden sind diszipliniert und halten sich an die Sicherheitsregeln. | Photo by Daniel Thomas Faller

Auch in Korea wurde mit dem Impfen begonnen. Ist ein Trend zum normalen Alltag zurück jetzt schon in Reichweite?

Das glaube ich nicht. Es wird sich sicherlich einiges verändern. Online Shopping und Hauslieferdienst werden in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. Auch wird man vermutlich einiges mehr über das Klima und das miteinander Leben nachdenken müssen. Es wird wieder viel Neues entstehen, da bin ich mir sicher.

Daniel Thomas Faller

SEOUL | Korea

Daniel ist der Gründer des Schauplatz Korea Magazins, Chefredakteur und kreativer Leiter. Er ist gebürtiger Schweizer und Korea-Liebhaber, der in Seoul lebt. Daniel interessiert sich für die Geschichten und Projekte von Menschen und hat eine Leidenschaft für visuelle Kunst und Fotografie. Gerne lässt er sich von Makgeolli verführen...

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